Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
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Hugo Wolf

Hugo Wolf

Postkarte von 1910

Quelle: Wikipedia

Impressum

Geb. 13. März 1860 in Windischgrätz/Untersteiermark (Slovenj Gradec/Slowenien), gest. 22. Februar 1903 in Wien.
Komponist.

Hugo Philipp Jakob Wolf wurde als zweiter Sohn des musikalisch vielseitig gebildeten Lederwarenhändlers Philipp Wolf (1828–1887) und dessen Frau Katharina geb. Nußbaumer geboren. (Katharinas Großvater hatte den slowenischen Namen Orehovnik eingedeutscht.) Vater Wolf machte seine Kinder früh mit der Musik vertraut und brachte bereits dem Fünfjährigen Geigen- und Klavierspiel sowie Klavierstimmen bei. Nach seinem ersten Auftritt als Wunderkind – im Fasching 1866 im Mozartkostüm – entschloss sich der freilich erst Sechsjährige gegen den Willen seines Vaters zur Musikerlaufbahn.

Wolf besuchte ab 1870 das Gymnasium in Graz und erhielt in der Musikschule des Steyermärkischen Musikvereins (heute: Musikverein für Steiermark) Unterricht in Geige und Klavier. Sein ausschließliches Interesse für Musik sowie sein eigenwilliger Charakter führten zu Schulproblemen und so musste er bereits nach einem Semester ins Konviktsgymnasium in St. Paul im Lavanttal (Kärnten) übertreten, wo er zwei Gymnasialklassen besuchte, bevor ein erneuter Schulwechsel erforderlich wurde. Die dritte Gymnasialklasse absolvierte Wolf in Marburg an der Drau (Maribor/Slowenien), die vierte beendete er ebendort mit völligem Misserfolg.

1875 bestand Wolf die Aufnahmsprüfung am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und wurde der Obhut seiner in Wien lebenden Tante väterlicherseits, Katharina Vinzenberg, anvertraut, deren Töchter ebenfalls am Konservatorium studierten. Unterrichtet wurde Wolf, zu dessen Mitschülern auch Gustav Mahler (1860–1911) gehörte, von Robert Fuchs (1847–1927) in Harmonielehre und von Wilhelm Schenner (1839–1913) in Klavier. Die Methoden seines Kompositionslehrers im zweiten Jahr, Franz Krenn (1816–1897), sagten ihm nicht zu. Dies sowie sein Wagnerismus in Kombination mit übersteigertem Selbstbewusstsein führten zum Studienabbruch und zum Verlust der finanziellen Förderung durch den Vater. Seine weitere musikalische Ausbildung erwarb sich Wolf, der sich seinen Lebensunterhalt mit Honoraren für Klavier- und Geigenunterricht, Korrekturarbeiten, Korrepetition und Tanzmusik zu verdienen versuchte, autodidaktisch.

Im Dezember 1875 war es Wolf gelungen, Richard Wagner (1813–1883) zu treffen, den er von diesem Zeitpunkt an glühend verehrte. Er komponierte Kammermusik, Charakterstücke, Orchesterwerke und vor allem Lieder, wobei er von seinem ebenfalls Wagner-affinen Freundeskreis unterstützt wurde, der ihm bei Bedarf Unterkunft gewährte, Schüler zuführte und ihm schließlich zu einer Anstellung als Korrepetitor und zweiter Kapellmeister am Salzburger Landestheater verhalf. Mängel in der Dirigiertechnik sowie sein ungezügeltes Temperament führten nach kurzer Zeit (November 1881 bis Jänner 1882) zur Kündigung. Seinen nächsten Posten als Musikkritiker beim "Wiener Salonblatt" verdankte er der Protektion seiner Freunde, der Hofjuweliere Heinrich (1854–1908) und Theodor Köchert (1859–1936). Wolf schrieb aggressive, gegen Johannes Brahms (1833–1897) und die so genannten 'Konservativen' gerichtete Kritiken und trat für Wagner, Franz Liszt (1811–1886), Hector Berlioz (1803–1869) und Anton Bruckner (1824–1896) ein. Insbesondere mit den Brahms-Verrissen, die dem Komponisten nicht, dem Kritiker dagegen sehr schadeten, schuf er sich Feinde in der Wiener Musikszene. Mit dem Tod des Vaters 1887 endete seine Kritikertätigkeit.

1888 konnte Wolf erste Lieder nach Gedichten von Eduard Mörike (1804–1875) edieren, womit er vor allem in Deutschland erfolgreich war. (In Wien hatte er sich zu viele Feinde gemacht.) 1890 unternahm er seine erste Deutschland-Reise. Er begegnete Ludwig Strecker vom Verlag Schott in Mainz, der seine Werke unter Vertrag nahm.

Zwischen 1888 und Ende 1891 komponierte Wolf die meisten jener Lieder, für die er heute vor allem bekannt ist: nach Eduard Mörike (1804–1875), Joseph von Eichendorff (1788–1857), Johann Wolfgang von Goethe (1782–1832) und Gottfried Keller (1819–1890), die im "Spanischen Liederbuch" zusammengefassten Lieder nach Paul Heyse (1830–1914) und Emanuel Geibel (1815–1884) und die im "Italienischen Liederbuch I" gesammelten. (Das "Italienische Liederbuch II" entstand 1896, die "Drei Gedichte von Michelangelo" vertonte er 1897.) Wolfs Spezialität bestand in der Darstellung dramatischer Momente im Lied. Sein Interesse galt auch der Oper, als deren dramatische Vorstudien er die Gedichtvertonungen betrachtete. Auf der Suche nach einer literarischen Vorlage wurde er von Wiener Freunden mit der Frauenrechtlerin Rosa Mayreder (1858–1938) bekannt gemacht, deren Libretto nach Pedro Antonio Alarcons (1833–1891) Novelle "Der Dreispitz" (El sombrero de tres picos) er zunächst ablehnte, 1895 jedoch vertonte. Seine Oper "Der Corregidor" wurde am 7. Juni 1896 am Nationaltheater in Mannheim mit Achtungserfolg uraufgeführt. Während der Probenarbeiten zeigten sich Symptome einer progressiven Paralyse, Spätfolgen einer wahrscheinlich 1877 zugezogenen Syphilisinfektion. Zurück in Wien, stürzte sich Wolf dennoch zuversichtlich in die Vertonung einer weiteren Oper, "Manuel Venegas", ebenfalls nach Alarcon; das Libretto stammte von Moritz Hoernes. Er konnte das Werk jedoch nicht vollenden.

Wolf wurde zeitlebens durch einen großen Freundeskreis unterstützt. Eine wichtige Rolle für die Aufführung seiner Werke spielte der "Wiener akademische Wagner-Verein", aus dem sich 1897 der Hugo-Wolf-Verein herauslöste. Auch in Berlin war 1896 ein Hugo-Wolf-Verein gegründet worden. Es sollte nicht lange dauern, bis die Sorge der Vereine mehr dem Komponisten selbst als seinem Werk galt: Im September 1897 brach eine Geisteskrankheit aus, die sich u.a. in Wolfs Behauptung äußerte, er sei Direktor der k.k. Hofoper. Freunde brachten ihn zur Behandlung in die Wiener Privatklinik Svetlin, wo er weiter komponierte. 1898 entlassen, unternahm er mit seiner Schwester Katharina und seiner früheren Klavierschülerin Melanie Köchert, der Frau des Hofjuweliers Theodor Köchert, eine Reise nach Slowenien, Istrien und Triest. Als er sich am Ende eines Sommerurlaubs am Traunsee seines Zustands bewusst wurde, unternahm er einen Suizidversuch und ließ sich schließlich in die Niederösterreichische Landesirrenanstalt in Wien IX (ab 1907 "Am Steinhof", Wien XIV) einweisen, wo er bis zu seinem Tod blieb.

 

Werke (Auswahl):

Mehr als 250 Lieder nach Eduard Mörike, Joseph von Eichendorff, Johann Wolfgang von Goethe; Spanisches Liederbuch (1889/90); Italienisches Liederbuch I (1890/91) und II (1896); Drei Gedichte von Michelangelo (1897); Klaviermusik; Kammermusik; Orchesterwerke: Penthesilea (Sinfonische Dichtung nach Heinrich von Kleist) (1883–85); Christnacht (für Soli, Chor und Orchester) (1886–89); Elfenlied (für Sopransolo, Frauenchor und Orchester) (1889–91); Italienische Serenade (1892); Bühnenwerke: Bühnenmusik zu Henrik Ibsens "Das Fest auf Solhaug" (1890/91); Der Corregidor (Oper in 4 Akten) (1895); Manuel Venegas (unvollendete Oper) (1897).
Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. von der Internationalen Hugo Wolf-Gesellschaft in Wien unter der Leitung von Hans Jancik und Leopold Spitzer. Wien: Musikwissenschaftlicher Verlag 1960–1998.

Schriften: Briefe an Emil Kaufmann. Im Auftrag des Hugo Wolf-Vereines in Wien hrsg. von Edmund Hellmer (1903); Briefe an Hugo Faisst. Im Auftrag des Hugo Wolf-Vereines in Wien hrsg. von Michael Haberlandt (1904); Familienbriefe. Hrsg. von Edmund Hellmer (1912); Briefe an Oskar Grohe. Im Auftrag des Hugo Wolf-Vereines in Wien hrsg. von Heinrich Werner (1905); Briefe an Rosa Mayreder. Mit einem Nachwort der Dichterin des "Corregidor" hrsg. von Heinrich Werner (1921); Briefe an Melanie Köchert. Hrsg. von Franz Grasberger (1964); Briefe an Henriette Lang, nebst den Briefen an deren Gatten Prof. Joseph Freiherr von Schey. Hrsg. von Heinrich Werner (1923); Briefe an Heinrich Potpeschnigg. Hrsg. von Heinz Nonveiller (1923); Briefe an Frieda Zerny. Hrsg. von Ernst Hilmar und Walter Obermaier (1978); Vom Sinn der Töne. Briefe und Kritiken. Hrsg. von Dietmar Langberg (1991); Briefe 1873–1901. Mit Kommentar vorgelegt von Leopold Spitzer (2010).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

oeml Bd. 5, S. 2694f.
MGG Bd. 14, S. 776–796.
AEIOU.
DBE.
Website der Hugo Wolf-Gesellschaft: http://www.hugowolf.at/.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, Juni 2011

 
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