Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Anastasius Grün
eigentlich: Anton Alexander Graf von Auersperg

Anastasius Grün

Ausschnitt aus dem Foto von Friedrich Wendling, Wien 1868, aus dem Nachlass am Institut für Germanistik der Universität Graz

 

Impressum

Geb. 11. April 1806 in Laibach/Krain (Ljubljana/Slowenien), gest. 12. September 1876 in Graz (Steiermark).
Lyriker, Epiker, Übersetzer, Herausgeber; Politiker.

Anton Alexander Graf von Auersperg wurde als Sohn des Maria Alexander Grafen von Auersperg (1770–1818), Herr der Herrschaft Thurn am Hart und Kreiskommissar zu Laibach, und der Marie Rosalie Cäcilie Freiin von Billichgrätz (1786–1836) geboren.

Im Alter von sieben Jahren trat er in das Wiener Theresianum ein, von wo er im April 1817 jedoch entlassen wurde. Seinen Schulbesuch setzte er an der k.k. Ingenieur-Akademie fort, wo er aufgrund seines widerspenstigen Verhaltens ebenfalls Probleme bekam. Als sein Vater 1818 starb und Freiherr von Lichtenberg-Janeschitz, der zweite Ehemann seiner Mutter, zum Vormund bestellt wurde, unternahm der Jugendliche einen missglückten Fluchtversuch, in dessen Folge ein weiterer Schulwechsel nötig wurde. Im "Erziehungsinstitut für Knaben katholischer Religion aus allen Ständen", geleitet von dem Stralsunder Maler und Kinderschriftsteller Friedrich August von Klinkowström (1778–1835), lernte Auersperg den slowenischen Dichter France Prešeren (1800–1849) kennen, der dort als Erzieher und Geschichtelehrer tätig war. Prešeren erkannte und förderte die poetischen Talente seines Schülers und zwischen den beiden entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung.

1824 schrieb sich Auersperg an der Wiener Universität ein und besuchte den für Hörer aller Fakultäten vorgeschriebenen "artistischen Kurs" (Religionslehre, Philosophie, Mathematik, Physik, Latein). 1826 inskribierte er an der Universität Graz, wo er Rechtswissenschaften studierte und einen Kreis literarisch Interessierter um sich versammelte, unter ihnen den Gubernialkonzipisten Josef Fellner (1792–1873), dem der Dichter sein 1830 unter dem Pseudonym Anastasius Grün erschienenes Erstlingswerk "Blätter der Liebe" widmete.

1831 zog der inzwischen volljährige Graf Auersperg nach Thurn am Hart, um sich ganz der Bewirtschaftung seines Besitzes zu widmen. Als er die Verwaltung seiner Güter übernahm, waren diese verwahrlost und die Erträge gering. Auersperg gelang es, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen. Die Umstellung auf Weinbau führte zu guten finanziellen Erträgen. Noch im selben Jahr zeigte die Wiener Staatspolizei lebhaftes Interesse für den Grafen. Bei Hoffmann und Campe in Hamburg waren anonym die "Spaziergänge eines Wiener Poeten" erschienen und Franz Sartori (1782–1832), Zensor der Polizeibehörde, hielt den Grafen Auersperg für deren Verfasser. Bereits im September des Erscheinungsjahres warnte Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856) seinen Dichterfreund vor dem Verdacht des Zensors. (Vgl. den Brief Hammer-Purgstalls an Auersperg vom 1. September 1831 http://lithes.uni-graz.at/hammer-purgstall_1831_09_01.html.) Da er damit rechnen musste, dass die Polizei seine Briefe öffnen würde, und die Zensur irreführen wollte, beurteilte er das "Gerücht" als unglaubwürdig. Wenn in Briefen in Auerspergs Freundeskreis dessen Autorschaft geleugnet wurde, dann geschah dies nicht aus Unwissenheit.

Die "Spaziergänge eines Wiener Poeten" sowie die 1835 erschienene Sammlung "Schutt" erregten das Missfallen der Zensur. Recherchen der politischen Polizei deckten Anfang 1838 das Pseudonym – "Grün" als Symbol für Hoffnung und Erneuerung im politischen und christlichen Sinn – auf. Metternich (1773–1859) stellte den Dichter daraufhin vor die Wahl, entweder nichts mehr zu publizieren oder aber auszuwandern. Zwar wählte Auersperg die erste Option; seine oppositionelle Haltung bewahrte er sich jedoch und auch die Schriftstellerei gab er nicht ganz auf.

Die Wintersaison verbrachte Auersperg meist in Wien, wo er mit verschiedenen, meist oppositionellen Dichtern, darunter Eduard von Bauernfeld (1802–1890), Ignaz Franz Castelli (1781–1862), Johann Gabriel Seidl (1804–1875) und Nikolaus Lenau (1802–1850) verkehrte. Während seines Wien-Aufenthaltes im Frühjahr 1845 war Auersperg bei den Beratungen von Schriftstellern und Gelehrten im Hause Joseph von Hammer-Purgstalls (1774–1856) dabei, die eine Petition an die Regierung vorbereiteten mit dem Ziel, eine Milderung der Zensurvorschriften zu erreichen. Auersperg gehörte zu den Unterzeichnern der von Hammer-Purgstall und Bauernfeld verfassten "Denkschrift über die gegenwärtigen Zustände der Zensur in Oesterreich" (abgedruckt in: Der österreichische Vormärz. 1816–1847. Bearb. von Otto Rommel. Leipzig: Reclam 1931.), die zwar wirkungslos blieb, jedoch Aufsehen erregte und Metternich dazu veranlasste, eine Gegenschrift (Clemens Hügel: Ueber Denk- Rede- Schrift- und Preßfreiheit. Wien: Rohrmann 1847.) in Auftrag zu geben.

Die Märzrevolution 1848 erlebte Auersperg in Wien. Am 14. März 1848, einen Tag nach dem Rücktritt Metternichs, erließen die geistigen Führer der Bewegung einen Aufruf, der zur Ordnung mahnte und von Auersperg, der vermutlich auch der Verfasser war, Bauernfeld und drei weiteren Schriftstellern unterzeichnet war. Am 15. März wurden Auersperg, Bauernfeld und Graf Ottokar Czernin in der Hofburg von Erzherzog Franz Karl (1802–1878), dem Bruder von Kaiser Ferdinand I. (1793–1875), empfangen und erhielten beruhigende Zusicherungen. Am 16. März reiste Auersperg nach Graz ab und kehrte Ende des Monats mit einer steirischen Delegation nach Wien zurück, wurde allerdings wenig später zum Landtag nach Laibach gerufen. Dort erreichte ihn die Nachricht, dass er am dritten April zu einem der vier Abgeordneten für das Frankfurter Vorparlament gewählt worden sei. (Vgl. die Briefe Bauernfelds an Auersperg vom 3. April 1848 http://lithes.uni-graz.at/bauernfeld_1848_04_03_a.html, http://lithes.uni-graz.at/bauernfeld_1848_04_03_b.html.)

Die Führer der österreichischen Slawen, vor allem der Tscheche František Palacký (1798–1876), sprachen sich gegen eine Teilnahme an Verhandlungen in Frankfurt aus. Der in Wien gegründete Verein "Slovenj" wandte sich ebenfalls dagegen. Auersperg versuchte mit dem Aufruf "An meine slowenischen Brüder!" zu vermitteln. Bei der darauffolgenden Wahl in Laibach wurde er durch deutsch-österreichisch gesinnte Wahlmänner zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Zwar war er darüber erfreut, doch die Verhandlungen verliefen nur sehr stockend, sodass Auersperg den Reichsverweser Erzherzog Johann (1782–1859) um einen längeren Urlaub ersuchen musste, da die wirtschaftlichen Verhältnisse auf seinen Gütern wegen der fehlenden Arbeitskräfte nicht zum Besten standen.

Während der politisch bewegten Zeiten um das Jahr 1848 dichtete Auersperg nur wenig. Erst 1850 trat er mit einem neuen Werk hervor, dem "Pfaff vom Kahlenberg", der von der Kritik sehr gemischt aufgenommen wurde. Wenig später erschienen die "Volkslieder aus Krain", Übersetzungen slowenischer Volkslieder, die ungleich freundlicher beurteilt wurden. Die darauffolgenden Jahre verbrachte Auersperg mit seiner Frau Maria Rosalia von Attems (1816–1880) hauptsächlich in Thurn am Hart. 1859 bekam die Gräfin nach fast zwanzigjähriger kinderloser Ehe einen Sohn, Theodor (1859–1881).

In den Jahren 1851–1859 war Auersperg kaum dichterisch, dafür umso mehr politisch tätig. 1860 wurde er zum außerordentlichen Mitglied des Herrenhauses ernannt. 1861 wurde er in den Krainer Landtag gewählt, dem er bis 1866 angehörte; 1867–1870 war er im Landtag der Steiermark. Wegen seiner ausgedehnten politischen Tätigkeit verlegte Auersperg seinen Wohnsitz nach Graz, wo er 1864 ein stattliches Haus in der Elisabethstraße bauen ließ und Villenbesitz mit ausgedehnten Parkanlagen am Rosenberg erwarb.

Als sich nach der Jahrhundertmitte das geistige Klima im Lande geändert hatte, erhielt Auersperg zahlreiche Auszeichnungen sowohl in seiner Rolle als (Freiheits-)Dichter als auch in seiner Funktion als Staatsmann, darunter den Maximilians-Orden durch den König von Bayern, den Guadelupe-Orden durch Maximilian I. von Mexiko, die Würde eines Geheimen Rates und das Großkreuz des Ordens der Eisernen Krone. 1871 wurde er von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zum Ehrenmitglied gewählt, 1865 bzw. 1876 mit den Ehrendoktoraten der Universitäten Wien und Graz ausgezeichnet.

Am 12. September 1876 starb Auersperg an den Folgen eines Schlaganfalls. Nach einer provisorischen Bestattung in Haselbach (Leskovec/Slowenien) an der Seite seines Vaters wurden seine sterblichen Überreste 1877 in ein von seiner Gattin errichtetes Mausoleum in Thurn am Hart überführt. Gräfin Marie, die 1880 verstarb, wurde an seiner Seite bestattet, nur wenig später der erst 22-jährige Sohn, der durch einen Sturz vom Pferd ums Leben kam. Damit erlosch die ältere Pankraz’sche Linie der Auerspergs.

 

Werke (Auswahl):

Blätter der Liebe (1830); Der letzte Ritter (Romanzen-Kranz) (1830); Spaziergänge eines Wiener Poeten (1831); Schutt (1835); Gedichte (1837); Nibelungen im Frack (1843); Pfaff vom Kahlenberg (1850); Volkslieder aus Krain (Übersetzungen) (1850); Robin Hood (Balladenkranz) (1864); In der Veranda (1876).
Eine vollständige Bibliografie der Erstausgaben von Anastasius Grün findet sich unter: http://lithes.uni-graz.at/gruen_bibliographie.html

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

Kosch Bd. 6, Sp. 919–921.
Nagl-Zeidler-Castle Bd. 2, S. 758–766.
Killy Bd. 4, S. 389f.
ADB Bd. 10, S. 27–33.
NDB Bd. 7, S. 185f.
Wurzbach Bd. 1, S. 86–88.
ÖBL Bd. 1, S. 35f.
GdSG Bd. 4, S. 27.
AEIOU.
DBE.
Minde-Pouet, Georg; Rothe, Eva (Hrsg.): Goedekes Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Neue Folge. Fortführung von 1830 bis 1880. Berlin: Akademie-Verlag 1962, S. 554–567 (Biografie), S. 567–659 (Bibliografie).
Schlossar, Anton: Hundert Jahre deutsche Dichtung in Steiermark. 1775–1875. Wien: Graeser 1893. (= Österreichische Bibliothek. 2.) besonders S. 138–145.
Scholz, Birgit: Biographie von Anastasius Grün (1806 bis 1876). In: http://lithes.uni-graz.at/gruen_biographie.html.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
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  Hintergrundbild:
Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato
für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899