Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Johann, Erzherzog von Österreich

Johann Erzherzog von Österreich

Erzherzog Johann im Rock von Leopold Kupelwieser, Öl auf Leinwand, 1828

Joanneum Graz,
Quelle: Wikipedia

 

Impressum

Geb. 20. Jänner 1782 in Florenz (Italien), gest. 11. Mai 1859 in Graz (Steiermark).
Erzherzog; Feldmarschall; Reichsverweser.

Johann Baptist Joseph Fabian Sebastian wurde als 13. Kind des Großherzogs Leopold (1747–1792; 1790–1792 als Leopold II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) und der spanischen Infantin Maria Ludovica (1745–1792) geboren. Seinen Namen erhielt er nach dem Patron seiner Geburtsstadt, Giovanni Baptista. Er wuchs in der Toskana auf, seine Muttersprache war Italienisch, seine zweite Sprache Französisch.

Als Kaiser Josef II. (1741–1790) starb, trat der toskanische Großherzog die Nachfolge seines Bruders an und die Familie zog nach Wien. Johann war damals acht Jahre alt; nur zwei Jahre später sollte er in kurzem Abstand beide Elternteile verlieren. Sein Vormund wurde der um 14 Jahre ältere Bruder Franz II./I. (1768–1835). Obwohl Johann sich vor allem für Geschichte, Geografie und Naturwissenschaften interessierte – seine Lieblingslektüre waren die "Geschichten schweizerischer Eidgenossenschaft" des Schweizer Historikers und Staatsmannes Johannes von Müller (1752–1809) –, wurde er für die militärische Laufbahn bestimmt und musste bis zu sechs Stunden täglich exerzieren. Als 18-Jähriger wurde er vom Kaiser zum Feldmarschallleutnant befördert und übernahm im Zweiten Koalitionskrieg (1799–1802) den Oberbefehl über die in Süddeutschland stehenden österreichischen Truppen. Am 3. Dezember 1800 erlitt er bei Hohenlinden eine totale Niederlage gegen die Franzosen, womit seine militärische Karriere von Anfang an schwer belastet war. Dank seiner technischen Begabung wurde er dennoch zum Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens und zum Direktor der militärischen Ingenieur-Akademie in Wien ernannt.

Im Feldzug von 1805 (= Dritter Koalitionskrieg) erhielt er – ohne ausreichende Vollmachten – das Kommando in Tirol. Nach der Niederlage bei Ulm konnte er die Pässe nicht halten und musste sich mit seinen Truppen bis zum Brenner zurückziehen. Der Friede von Pressburg (Bratislava/Slowakei) (26. Dezember 1805), der den Dritten Koalitionskrieg beendete, zog den Verlust Tirols nach sich, was Johann sehr traf. Er, der bereits 1804 das erste Mal in Graz gewesen war, wandte sich immer mehr der Steiermark zu. 1808 erwarb er sich als Organisator der Landwehr in den Donau- und Alpenländern große Verdienste. Im Fünften Koalitionskrieg (1809) siegte Johann bei Sacile und Caldiero. Allerdings zwang ihn die bedrängte Lage der Nordarmee zum Rückzug über Laibach (Ljubljana/Slowenien) und Graz. Nach einer Niederlage bei Raab erreichte er mit seinen zusammengeschmolzenen Truppen Wagram nicht mehr rechtzeitig, um dort seinem Bruder Erzherzog Karl (1771–1847) gegen Napoleon (1769–1821) beizustehen. Damit war die militärische Karriere Erzherzog Johanns im Wesentlichen zu Ende, auch wenn er 1836 noch zum Feldmarschall ernannt wurde.

In den Jahren 1812/13 engagierte er sich in der Tiroler Widerstandsbewegung in dem von Joseph von Hormayr (1782–1848) geleiteten "Alpenbund", dessen Ziel es war, einen Aufstand gegen Napoleon zu organisieren. Als Metternich (1773–1859) davon erfuhr, wurde Hormayr verhaftet und Johann durfte bis 1833 Tirol nicht mehr betreten. Die so genannte "Alpenbundaffäre" trug Johann beim Kaiser den Ruf eines politischen Verschwörers ein und führte in der Folge zu seiner politischen Entmachtung in einem mit Frankreich verbündeten Österreich.

Johann, für den eine Heirat mit Prinzessinnen aus großen Häusern nicht vorgesehen war, da es an einer standesgemäßen Versorgung mangelte, lernte 1819 die um 22 Jahre jüngere Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl (1804–1885) kennen. Ab 1823 führte sie ihm den Haushalt, doch erst nach langem Kampf konnte die Zustimmung des Bruders Franz II./I. zu einer Eheschließung errungen werden. Geheiratet wurde am 18. Februar 1829 um Mitternacht in der Kapelle des Brandhofs (in der Nähe von Mariazell/Steiermark). Es handelte sich um eine morganatische Ehe – weder die Braut noch ihre Nachkommen durften in der offiziellen Genealogie des Kaiserhauses aufscheinen und erst 1833 durfte die Ehe offiziell bekannt gegeben werden. Am 11. März 1839 wurde das einzige Kind des Paares, Franz (1839–1891) geboren (am 30. Dezember 1845 zum Grafen von Meran erhoben).

Diese Verbindung und Johanns Eintreten für ein geeintes Deutschland mit Österreich und Preußen sowie seine liberalen Neigungen und die Ablehnung des Systems Metternich trugen zu seiner Beliebtheit beim Bürgertum bei.

Dem Erzherzog lagen der landwirtschaftliche und technische ebenso wie der soziale Fortschritt in der Steiermark am Herzen. Zu diesem Zweck trat er mehrfach als Gründer und Stifter auf: 1811 gründete er durch Schenkung seiner ursprünglich auf Schloss Ternberg in Niederösterreich sowie in Wien befindlichen Sammlungen in Graz das so genannte "Joanneum", das älteste und größte Landesmuseum in Österreich. Das universal konzipierte Museum entwickelte sich bald zum Mittelpunkt der geistigen Kultur der Steiermark. Es umfasste nicht nur eine naturkundlich-historische Schausammlung, sondern sollte auch als Lehranstalt zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse für alle Berufsklassen beitragen und insbesondere die "Geistesbildung der Steyermärkischen Jugend" und damit das Wohl des Landes fördern. So war das Joanneum nicht nur Museum, sondern auch ein Ort der Lehre und Forschung.

1818 erwarb er den Brandhof in der Nähe von Mariazell, den er zu einem Mustergut ausbauen ließ. 1819 gründete er die k.k. Landwirtschaftsgesellschaft für Steiermark und den Leseverein "Am Joanneum". 1815/16 reiste er nach England, wo er äußerst detaillierte Skizzen und Notizen zu technischen Themen anfertigte, was in der Folge den steirischen Eisenhütten zugute kommen sollte. (Die Tagebücher zu diese Reise wurden unter dem Titel "Ein Land, wo ich viel gesehen" 2010 herausgegeben.) 1822 und 1837 kaufte er die Radwerke II und V in Vordernberg (Steiermark) und setzte mit Unterstützung von Spezialisten wie Johann Dullnig und Peter Tunner (1809–1897) richtungsweisende technische Neuerungen durch. Er beteiligte sich an der Erschließung der Kohlevorkommen in der Weststeiermark sowie an der Modernisierung der Eisenindustrie dieser Region.

1837 gründete er den "Verein zur Beförderung und Unterstützung der Industrie und des Gewerbes", 1825 die Steiermärkische Sparkasse, 1828 die "Wechselseitige Brandschaden-Versicherungsgesellschaft". 1840 erwarb er das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Stainz, das er zu einem Schloss mit Musterbetrieb umgestaltete. Ihm ist auch die Trassenführung der Südbahn durch die Steiermark zu verdanken, die ursprünglich über Westungarn verlaufen sollte. Die Gründungen des "Innerösterreichischen Geschichtsvereins" (1843), des späteren "Historischen Vereins für Steiermark" (1850), und des "Geognostisch-montanistischen Verbandes" (1845) gehen ebenfalls auf die Initiative des Erzherzogs zurück.

1846 wurde Johann von Metternich zum Kurator der eben gegründeten Akademie der Wissenschaften in Wien bestellt.

Im Revolutionsjahr 1848 betrat er noch einmal für kurze Zeit die politische Bühne des Reiches. Er organisierte zunächst die Verteidigung der von den aufständischen Italienern bedrohten Südgrenze und übernahm dann als Stellvertreter Kaiser Ferdinands I. (1793–1875) die Regierungsgeschäfte und eröffnete am 22. Juli den österreichischen Reichstag. Bereits am 29. Juni war er in Frankfurt zum deutschen Reichsverweser gewählt worden. Als Anhänger der großdeutschen Richtung kämpfte er jedoch auf verlorenem Posten. Am 20. Dezember 1849 legte er sein Amt nieder, was der inzwischen 67-Jährige als Befreiung empfand.

In seinen letzten Lebensjahren entfaltete Johann noch vielfältige Aktivitäten im steirischen Kultur- und Wirtschaftsleben. Er starb am 11. Mai 1859 in seinem Stadthaus, dem Palais Meran, in dem sich heute die Kunstuniversität Graz befindet. Begraben ist er – nach einer 'Zwischenstation' im Grazer Mausoleum – seit 1869 seinem Wunsch gemäß in der Grabkapelle des Schlosses Schenna bei Meran.

Erzherzog Johann war durch sein schlichtes Auftreten beim Volk sehr beliebt und ist den Steirern bis heute ein Begriff.

 

Werke (Auswahl):

Briefe an Johann von Müller. [Supplement zu dessen sämmtlichen Werken.] Bd. 6. Hrsg. von Johann Heinrich Maurer von Constant (1840); Erzherzog Johanns Briefe an Joseph Freiherrn von Hammer-Purgstall. Mit Einleitung und Erläuterungen hrsg. von Franz Ilwof. In: Mitteilungen des historischen Vereines für Steiermark 37 (1889); Aus dem Tagebuche Erzherzog Johanns von Oesterreich. 1810–1815. Zur Geschichte der Befreiungskriege und des Wiener Kongresses. Hrsg. von Franz Xaver von Krones (1891); Aus dem Tagebuche Erzherzog Johanns von Österreich 1810–1812. In: Franz Xaver von Krones: Aus Österreichs stillen und bewegten Jahren 1810–1812 und 1813–1815. Bd. 1 (1892); Briefwechsel zwischen Johann Baptist von Österreich und Anton von Prokesch-Osten. Nebst Auszügen aus den Tagebuchblättern des Johann über seinen Aufenthalt in Athen im November 1837. Mit Anmerkungen, Erläuterungen, Aktenstücken etc. hrsg. von Anton Schlossar (1898); Der Brandhofer und seine Hausfrau. Eigenhändige Aufzeichnungen des Johann Erzherzog von Österreich. Hrsg. von Alfred Wokaun (1930); Wenn Du nur schon bey mir waerest. Aus Tagebüchern und Briefen von Erzherzog Johann und Anna Plochl. Hrsg. von Lutz Mauerer. (= Grundlseer Schriften. 1.) (1997); Erzherzog Johann an Ferdinand von Thinnfeld. Texte einer Matinee am 8. August 2009 in Schloss Thinnfeld. Hrsg. von Bernhard Hebert (= Thinnfeldensia. 4.) (2009); "Ein Land, wo ich viel gesehen". Aus dem Tagebuch der England-Reise 1815/16. Hrsg. von Alfred Ableitinger und Meinhard Brunner, bearb. von Gerhard Dinacher. (= Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission für Steiermark. 41.) (2010).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

ADB Bd. 14, S. 281–305.
NDB Bd. 10, S. 505–508.
Wurzbach Bd. 6, S. 280–287.
ÖBL Bd. 3, S. 122f.
GdSG Bd. 4, S. 111f.
AEIOU.
DBE.
Erzherzog Johann – Mensch und Mythos. Hrsg. von Josef Riegler, redigiert von Elke Hammer-Luza. Graz: Steiermärkisches Landesarchiv 2009. (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives. 37.)
Erzherzog Johann – Visionär der Habsburger. Symposion am 15. Mai 2009. Hrsg. von Karlheinz Wirnsberger. Graz: Universalmuseum Joanneum 2009.
Erzherzog Johann – Visionär und Wegbereiter der TU Graz. 1811–2011, 200 Jahre TU Graz/ Technische Universität Graz. Redigiert von Ines Hopfer. Sonderausg. Mai 2009. Graz: Verlag der Technischen Universität Graz 2009. (= Special. Technische Universität Graz.)
Magenschab, Hans: Erzherzog Johann: Bauer, Bürger, Visionär. Wien, Graz, Klagenfurt: Styria 2008.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
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Ausschnitt: Lettau: Erzherzog Johann vor Landschaftshintergrund, 1844