Peter von Tunner |
Denkmal für Peter von Tunner Foto von Robert Kropf, 2005 |
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Geb. 10. Mai 1809 in Untergraden (Steiermark), gest. 8. Juni 1897 in Leoben (Steiermark). Tunner besuchte das k.k. polytechnische Institut in Wien, wo er 1831 seine technischen Studien abschloss. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt als Verwalter des Eisenhochofens in Turrach in fürstlich Schwarzenbergschen Diensten und auch der Sohn trat 1832 als Verweser des neu errichteten Hammerwerkes Katsch bei Murau in die Dienste des Fürsten. Dabei erwies er sich als so tüchtig, dass Erzherzog Johann (1782–1859) auf ihn aufmerksam wurde. Als 1835 am 1811 von diesem in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneum eine montanistische Fachschule errichtet wurde, erhielt Tunner, auf Empfehlung des Erzherzogs, von den steiermärkischen Ständen die Professur der Berg- und Hüttenbaukunde übertragen. Die Stände gestatteten dem jungen Professor einen mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland, Schweden, England, Belgien, der Schweiz und Italien zum Studium des dortigen Montanwesens. Während Tunners Abwesenheit wurde der Beschluss gefasst, die Fachschule nach Vordernberg, in die unmittelbare Nähe der steirischen Haupteisenwerke zu verlegen. Im November 1840 eröffnete Tunner im neu errichteten Gebäude der Lehranstalt seine Vorlesungen über Bergbau und Hüttenkunde. Die steiermärkisch-ständische montanistische Lehranstalt in Vordernberg erwarb sich – nicht zuletzt dank der Verdienste Tunners – einen exzellenten Ruf als Schule des Eisenhüttenwesens. Tunner selbst erlangte durch regen Austausch mit den montanistischen Autoritäten des In- und Auslandes sowie durch seine wissenschaftlich-schriftstellerischen Leistungen einen Ruf als ausgezeichneter Fachmann. Als im Revolutionsjahr 1848 der Verbleib der deutschsprachigen Studenten an der Bergakademie zu Schemnitz in Ungarn (Banská Štiavnica/Slowakei) nicht mehr möglich war, wurde die Lehranstalt in Vordernberg anfangs provisorisch, schließlich jedoch dauerhaft zur Staatsakademie umfunktioniert, so dass aus der bis dahin ständischen Lehranstalt ein staatliches Institut wurde. Dieses wurde nach Verhandlungen mit den steirischen Ständen als k.k. Montan-Lehranstalt (heute: Montanuniversität) in Leoben (Steiermark) gegründet und Tunner zum Direktor derselben ernannt, ein Amt, das er über ein Vierteljahrhundert hindurch bekleidete. Dabei beschränkte er sich nicht auf die Lehrtätigkeit, sondern nahm auch regen Anteil an der praktischen Durchführung sämtlicher Neuerungen im Montanwesen und insbesondere im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie. Er leistete wesentliche Beiträge zur Stahlerzeugung im Frischherd und im Puddelofen und führte als Erster in der österreichisch-ungarischen Monarchie zunächst das Bessemer-Verfahren (1863 in Turrach) und später das Siemens-Martin-Verfahren zur Herstellung von Stahl ein. Durch seine publizistische Tätigkeit und Vortragsreisen (1870: Ural; 1876: USA) galt er weltweit als angesehener Montanist. Tunner war auch politisch tätig, 1867–1871 als Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag und in den Folgejahren bis 1874 als Abgeordneter zum Reichsrat. Für seine Verdienste erhielt er zahlreiche Ehrungen, darunter den Orden der eisernen Krone dritter Klasse (1861) und das Comthurkreuz des Franz-Joseph-Ordens (1874). Auf allen Industrie- und Weltausstellungen (Wien, 1845; London, 1851, 1862; München, 1854; Paris, 1855, 1867; Wien, 1873) gehörte er zu den einflussreichsten Jurymitgliedern und konnte so zum Ansehen der österreichischen Industrie beitragen.
Werke (Auswahl): Ueber Rails-Fabrikation (1838); Beiträge zur Untersuchung der möglichen und zweckmäßigen Verbesserungen und Abänderungen der innerösterreichischen Herdfrischerei (1839); Die Walzwerke als Stellvertreter der Hämmer im Eisenhüttenwesen (1839); Gemeinfaßliche Darstellung der Stabeisen- und Stahl-Bereitung in Frischherden in den Ländern des Vereins zur Beförderung und Unterstützung der Industrie und Gewerbe in Innerösterreich, dem Lande ob der Enns und Salzburg. Oder: Der wohlunterrichtete Hammermeister. Hrsg. von der Direction des Vereins (1846); Bericht über die auf der Pariser Welt-Industrie-Ausstellung von 1855 vorhandenen Producte des Bergbaues und Hüttenwesens (1855); Das Eisenhüttenwesen in Schweden. Beleuchtet nach einer Bereisung der vorzüglicheren Eisenwerke daselbst im Jahre 1857 (1858); Die Zukunft des österreichischen Eisenwesens insbesondere der Roheisen-Erzeugung (1869); Rußlands Montan-Industrie, insbesondere deren Eisenwesen. Beleuchtet nach der Industrie-Ausstellung zu St. Petersburg und einer Bereisung der vorzüglichsten Hüttenwerke des Urals im Jahre 1870 (1871); Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Mit drei lithographirten Tafeln und einer näheren Erläuterung derselben von Ludwig Ritter von Tunner (1877); als Herausgeber: Die Steiermärkisch-Ständische Montanistische Lehranstalt zu Vordernberg, ihr inneres Streben und Wirken, und die derselben zugewandten Unterstützungen von außen (1841–47); Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch der K[öniglich]-Ung[arischen] Schemnitzer Bergakademie und der k.k. Bergakademien Leoben und Přibram (1841–66); Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch der k.k. Montan-Lehranstalt zu Leoben (1851–57).
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Literatur: Wurzbach Bd. 48, S. 127–130.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk |
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