Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Joanneum

Joanneum, Alter Innenhof

Joanneum, Alter Innenhof

Photo von Andreas Praefcke

Impressum

1811 gründete Erzherzog Johann (1782–1859) durch Schenkung seiner ursprünglich auf Schloss Ternberg in Niederösterreich sowie in Wien befindlichen Sammlungen in Graz (Steiermark) das so genannte Joanneum, das älteste und größte Landesmuseum in Österreich. Die Statuten des nach ihm benannten "Innerösterreichischen Nationalmuseums" entwarf der Erzherzog selbst. Das universal konzipierte Museum entwickelte sich bald zum Mittelpunkt der geistigen Kultur der Steiermark. Es beschränkte sich nicht auf eine naturkundlich-historische Schausammlung, sondern sollte nach dem Willen Erzherzog Johanns auch als Lehranstalt zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse für alle Berufsklassen beitragen und insbesondere die "Geistesbildung der Steyermärkischen Jugend" und damit das Wohl des Landes sowohl in geistiger als auch in wirtschaftlicher Hinsicht fördern. So war das Joanneum von Beginn an nicht nur ein Museum, sondern auch ein Ort der Lehre und Forschung.

Da Erzherzog Johann als privater Stifter auftrat, musste seine Initiative ohne staatliche Förderung auskommen. So brachte er anfangs sogar die Mittel für die Besoldung des Personals selbst auf. Doch bald sorgten die steirischen Stände für Unterstützung. Sie stellten einerseits ein Gebäude in der Raubergasse 10 in der Grazer Innenstadt bereit und gewährten andererseits auch finanzielle Hilfe, woran als Bedingung das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Professuren für Technologie, Chemie und Botanik geknüpft war. Damit entwickelte sich das Joanneum, das ursprünglich an das Grazer Lyzeum hätte angegliedert werden sollen, nicht zu einer staatlichen, sondern zu einer ständischen Anstalt. Durch Legate und Erwerbungen wurde die Stiftung ständig erweitert und vermehrt. Bei der Auswahl der Kuratoren überließen die Stände dem Erzherzog freie Hand. Dieser bestimmte den Landeshauptmann Ferdinand Maria Reichsgraf von Attems (1746–1820), den Admonter Abt Gotthard Kuglmayr (1754–1825) sowie den Schriftsteller und Historiker Johann Ritter von Kalchberg (1765–1827) als Kuratoren.

Die Stiftung umfasste zunächst die Abteilungen Technologie, Chemie und Botanik samt Mineralogie; die Mittel für Zoologie, Astronomie und Technologie wurden später zur Schaffung einer Lehrkanzel für "Angewandte Mechanik und Maschinenlehre" genutzt. Es folgten Lehrkanzeln in den Fächern Botanik und Zoologie, Chemie und Physik, Hüttenkunde, Landwirtschaftslehre und Forstnaturkunde, die später teilweise geteilt wurden. Die naturwissenschaftlichen Lehrkanzeln, deren Kurse und Vortragsreihen allgemein zugänglich waren, waren von größter Bedeutung. An den im Herbst 1812 begonnenen Vorlesungen nahmen zahlreiche Zuhörer aller Stände und jeden Alters teil. Unter den Vortragenden befanden sich bedeutende Gelehrte wie z.B. der Chemiker Lorenz Chrysanth von Vest (1776–1840), der Mineraloge Friedrich Mohs (1773–1839), der in seiner Zeit am Joanneum die nach ihm benannte Härteskala für Mineralien entwickelte, sowie der Botaniker Franz Unger (1800–1870). 1827 erfolgte die Errichtung einer Lehrkanzel für technisch-praktische Mathematik sowie für praktische Geometrie und Mechanik, womit die Grundlage für die Erweiterung des Unterrichts auch auf andere technische Fächer geschaffen war. 1845 wurde eine eigene Realschule errichtet. Aus der aufstrebenden Technischen Lehranstalt, aus der auch verschiedene landwirtschaftliche und gewerbliche Berufsschulen hervorgingen, wurde 1864 per Beschluss des Steiermärkischen Landtages die "Steiermärkische landschaftliche Technische Hochschule am Joanneum zu Graz", die heutige Grazer Technische Universität (Erzherzog-Johann-Universität), die 1874 mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftlichen Abteilung vom Staat übernommen wurde.

Die 1835 begründete Lehrkanzel für Berg- und Hüttenkunde wurde an die Berg- und Hüttenschule in Vordernberg, später in Leoben (beide Steiermark) übertragen, aus der 1849 die k.k. Bergakademie hervorging, heute als "Montanuniversität Leoben" die einzige Hochschule für Berg- und Hüttenwesen Österreichs.

1819 wurde der Leseverein "Am Joanneum" gegründet, für den Erzherzog Johann auch von der Polizei verbotene Zeitschriften abonnieren ließ. Als nach Aufhebung der Zensur 1848 das Interesse nachließ, wurde der Verein aufgelöst; die Zeitschriften und Bücher wurden der Joanneumsbibliothek übergeben, aus der die Steiermärkische Landesbibliothek hervorging. Aus den Geschichtssammlungen entwickelte sich das Steiermärkische Landesarchiv, dessen erster Archivar Joseph von Zahn (1831–1916) war.

Die von Veit Johann Kauperz (1741–1816) errichtete private Zeichenschule war der Grundstein für die "Landschaftliche Zeichenakademie", deren Bildergalerie mit der Gemäldesammlung des Joanneums zusammengelegt wurde. Letztere hatte einen stark didaktisch geprägten Charakter und diente weniger als Schausammlung denn als geschichts-, heimat- und naturkundliches Anschauungsmaterial. Die Landesgemäldegalerie wurde 1941 zweigeteilt in die "Alte Galerie", die die Werke aus der Zeit bis 1800 beherbergt, und die "Neue Galerie", in der die Gemälde, Grafiken und Plastiken ab dem 19. Jahrhundert untergebracht sind.

Nach Abtrennung der Unterrichtsaufgaben wurde das Joanneum zu einem volksbildnerisch wirkenden Museum. 1887 wurde beschlossen, die verschiedenen Sammlungen des Joanneums in einem Landesmuseum zu vereinigen. Die Neuaufstellung erfolgte zunächst im Lesliehof in der Grazer Raubergasse, der sich jedoch bald als zu klein erwies. So wurde in den Jahren 1890 bis 1895 in der nahe gelegenen Neutorgasse nach Entwürfen von August Gunolt (1849–1932) ein Neubau in neobarockem Stil realisiert. Die beiden gegenüberliegenden Gebäude, das "Alte Joanneum" in der Raubergasse und das "Neue Joanneum" in der Neutorgasse, werden derzeit saniert und unterirdisch verbunden. 2011 soll das so entstehende "Joanneumsviertel" pünktlich zum 200-jährigen Gründungsjubiläum als neuer Grazer Kulturbezirk eröffnet werden.

2003 wurde das "Landesmuseum Joanneum", dessen Sammlungen sich an verschiedenen Orten in und um Graz befinden, als "Universalmuseum Joanneum" in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. Das Land Steiermark ist jedoch weiterhin, wie durch den Stifter Erzherzog Johann bestimmt, Träger der Vermögensrechte und Eigentümer der Liegenschaften.

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

GdSG Bd. 4, S. 225–227.
AEIOU.
Binder, Dieter A.: Das Joanneum in Graz. Lehranstalt und Bildungsstätte. Ein Beitrag zur Entwicklung des technischen und naturwissenschaftlichen Unterrichtes im 19. Jahrhundert. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1983. (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz. 12.)
Gauß, Karl-Markus; Greif, Milena: Ein kulturelles Gedächtnis. Die Landesmuseen Österreichs und Südtirols im Überblick. Mit einem Essay von Karl-Markus Gauß und zahlreichen Fotografien von Heinrich Hermes. Wien: Brandstätter 2009.
Sutter, Berthold (Hrsg.): Festschrift 150 Jahre Joanneum 1811–1961. Im Auftrag der Stmk. Landesregierung aus Anlaß der 150-Jahr-Feier des Stmk. Landesmuseums Joanneum und der Stmk. Landesbibliothek herausgegeben. Graz: Styria 1969. (= Joannea: Publikationen des Steiermärkischen Landesmuseums und der Steiermärkischen Landesbibliothek. 2.)

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
Zum Bereich Technik und Wissenschaft   Zu den Projekten von LiTheS
  Hintergrundbild:
Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk