Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Emil Ertl

Emil Ertl

Quelle: Wikipedia

Impressum

Geb. 11. März 1860 in Wien, gest. 8. Mai 1935 in Wien.
Novellendichter, Romancier; Bibliothekar.

Ertl wurde als Sohn des Seidenfabrikanten Franz Ertl (1830–1862) und dessen Frau Barbara geb. Reichert (1836–1908) geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters erhielt er den Architekten und Baurat Friedrich von Stach (1830–1906) zum Stiefvater, der eine wichtige Rolle in seiner Erziehung einnahm.

1880–1883 studierte Ertl, bis zur ersten Staatsprüfung, Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wechselte aber, nach kunstgeschichtlichen Bildungsreisen nach Paris, London und Venedig, zu Philosophie und Geschichte und promovierte 1886. Ob die Promotion in Wien oder Graz stattfand, darüber gehen die Angaben auseinander. Jedenfalls heiratete Ertl im selben Jahr die ebenfalls aus einer Seidenweberfamilie stammende Maria Hornbostel (1862–1927) in Schloss Weyer in Frohnleiten, d.h. nahe Graz. Das Paar bekam einen Sohn (Herbert, 1888–1958) und zwei Töchter.

Im August 1886 trat Ertl als Volontär und Leiter der technischen Bibliothek des 1811 von Erzherzog Johann (1782–1859) in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneums in den Landesdienst. 1889 wurde er an die Bibliothek der Technischen Hochschule in Graz und somit in den Staatsdienst übernommen. Von 1898 bis zu seiner Pensionierung 1922 war er Direktor der Bibliothek der Technischen Hochschule. 1927 übersiedelte er zurück nach Wien.

Ertl gilt als einer der führenden Vertreter des österreichischen Heimat- und Geschichtsromans. Während sein Jugendwerk noch romantisch und jugendlich-idealistisch geprägt ist, entwickelte er unter dem Einfluss von Peter Rosegger (1843–1918), mit dem er befreundet war, eine Art heiteren Realismus und gütigen Humor. Themen seiner Heimatdichtung sind das Wien der Habsburgerzeit, Arbeit und Fleiß als Tugenden des deutsch-österreichischen Handwerker- und Bürgertums. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen und zahlreiche Novellen. Seine Romantetralogie "Ein Volk an der Arbeit. Hundert Jahre Deutsch-Österreich im Roman" erzählt das Schicksal einer Wiener Seidenweberfamilie. Der erste Band, "Die Leute vom blauen Guguckshaus" (1905), spielt vor dem Hintergrund der Besetzung Wiens durch Napoleon und schildert die Weberfamilie Kebach, bei der das Handwerk völlig unproblematisch in den familiären Verband integriert wird. Der zweite Band, "Freiheit, die ich meine" (1908), beschreibt den Wandel vom Handwebstuhl zur maschinellen Seidenweberei. Band drei, "Auf der Wegwacht" (1911), behandelt den Abstieg der Weberdynastien, den Börsenkrach und die zunehmenden sozialen Konflikte. Der vierte Band, "Im Haus zum Seidenbaum" (1926), führt die Handlung bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs hinein.

Ertls politische Einstellung lässt sich aufgrund eines Ereignisses recht genau einschätzen: 1933, bei der Tagung des P.E.N.-Clubs in Ragusa (Dubrovnik), als die österreichische Sektion des P.E.N.-Clubs entschied, sich einer Resolution gegen das nationalsozialistische Deutschland anzuschließen, erklärte Ertl aus Protest seinen Austritt aus dem Schriftstellerverband.

1910 wurde Ertl zum Regierungsrat ernannt, 1922 zum Hofrat. Er war Vizepräsident des Steiermärkischen Kunstvereins sowie Ehrenbürger von Wien und Graz. Die Emil-Ertl-Gasse im 7. Grazer Bezirk (Liebenau) erinnert an den Dichter und Bibliothekar.

 

Werke (Auswahl):

Abdêwa. Ein Märchen (1884); Liebesmärchen (1886); Opfer der Zeit. Zwei Novellen aus dem Wiener Leben [Inhalt: Der tote Punkt. Familie Martin.] (1895); Miss Grant und andere Novellen (1896); Die Perlenschnur. Eine Renaissance-Novelle (1896); Mistral (Nov.) (1901); Feuertaufe. Neues Novellenbuch (1905); Die Leute vom blauen Guguckshaus (= Ein Volk an der Arbeit. Bd. 1.) (Rom.) (1905); Freiheit, die ich meine. Roman aus dem Sturmjahr (= Ein Volk an der Arbeit. Bd. 2.) (1909); Gesprengte Ketten (Nov.) (1909); Der tote Punkt und anderes (Erz.) (1910); Auf der Wegwacht (= Ein Volk an der Arbeit. Bd. 3.) (Rom.) (1911); Der Salto mortale und andere Geschichten (1911); Nachdenkliches Bilderbuch. Ernste und heitere Geschichten (1911; Bd. 2: 1913); Ein Volk an der Arbeit. Hundert Jahre Deutsch-Österreich im Roman. 3 Bde. (1912); Der Neuhäuselhof (Rom.) (1913); Walpurga (Nov.) (1914); Das Lächeln Ginevras (Rom.) (1915; 1931 unter dem Titel: Eingeschneit auf Korneliagrube); Der Antlaßstein (Rom.) (1917); Das Trauderl. Aus den Papieren eines österreichischen Reserveoffiziers (Nov.) (1918); Ziele des Rates für geistige Arbeit in Steiermark (Rede) (1919); Der Berg der Läuterung (Nov.) (1922); Der Handschuh (Nov.) (1922); Peter Rosegger. Wie ich ihn kannte und liebte. Ein Buch der Erinnerung (1923); Sternschnuppen (Nov.) (1923); Der hänfene Strick und andere Erzählungen (1924); Der Halbscheid (Erz.) (1924); Karthago. Kampf und Untergang (Rom.) (1924); Teufelchen Kupido. Lachende Liebes- und Ehegeschichten (1925); Im Haus zum Seidenbaum (= Ein Volk an der Arbeit. Bd. 4.) (Rom.) (1926); Irrgarten des Lebens (Nov.) (1926); Leidenschaft. Zwei Novellen (1927); Geschichten aus meiner Jugend (1927); Die Maturafeier. Sieben kleine Novellen (1927); Das Lattacherkind. Ein Roman aus der Bergwelt (1929); Meisternovellen (1930); Lebensfrühling. Erinnerungen aus dem lieben alten Wien meiner Jugend (1932); Symphonie. Gedichte in Vers und Prosa (1935); Menschenschicksale. Geschichten aus dem alten Österreich (1948).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

Kosch Bd. 4, Sp. 490f.
Killy Bd. 3, S. 293.
NDB Bd. 4, S. 633f.
ÖBL Bd. 1, S. 266.
GdSG Bd. 4, S. 110.
AEIOU.
DBE.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, April 2011

 
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Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato
für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899