Joseph Wartinger |
Quelle: Website des Landes Steiermark
Wartingermedaille Photo von Moschitz, 2009 |
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Geb. 21. April 1773 in St. Stefan bei Stainz (Steiermark), gest. 15. Juni 1861 in Graz (Steiermark). Wartinger wurde als siebtes Kind des Bäckermeisters Michael Wartinger (1722–1786) und dessen Ehefrau Elisabeth geb. Schreiner (1737–1820) geboren. Ursprünglich war Wartinger dazu bestimmt, den väterlichen Betrieb zu übernehmen, wozu er aufgrund seiner Kränklichkeit kaum geeignet schien. Schließlich ermöglichte ihm der frühe Tod seines Vaters ab 1789 den Besuch des Gymnasiums in Graz. Auf dessen Abschluss 1794 folgten zwei Jahre an der philosophischen Fakultät des Grazer Lyzeums, ab 1796 widmete er sich ebendort juridischen Studien, die er 1798 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Schon während des Studiums hatte er eine Stelle als Hofmeister Ferdinand von Thinnfelds (1792–1868) angenommen. 1799 trat er beim Gubernium zu Graz als Büropraktikant in den politischen Staatsdienst, von wo aus er ein Jahr später zum Kreisamt überwechselte. 1801 wurde er Gymnasiallehrer in Marburg (Maribor/Slowenien). Zwar gefiel ihm seine dortige Arbeit als Grammatikallehrer und Supplent des Griechischen, doch das feuchte Klima war seiner Gesundheit nicht zuträglich, sodass er mit Schulschluss 1805 wieder nach Graz zurückging. Die folgenden Jahre verbrachte Wartinger mit diversen Vertretungen am Gymnasium und an der philosophischen Fakultät des Grazer Lyzeums, wo er u.a. eine Lehrkanzel der allgemeinen Weltgeschichte provisorisch innehatte. Als 1810 der erste ständische Registraturadjunkt Vinzenz Zolchner verstarb, bewarb er sich um dessen Nachfolge und wurde zum ersten steiermärkisch-ständischen Registratursadjunkten bestellt, 1812 schließlich zum ständischen Registrator und Archivar ernannt, er war also für die Kurrentregistratur und das Archiv der 'Landschaft' (= das Archiv der Stände) zuständig. In dieser Funktion führte er eine zweckmäßigere Geschäftsordnung ein, revidierte die alten Repertorien und legte neue Bestandsverzeichnisse an. Außerdem wurde er von Erzherzog Johann (1782–1859) damit beauftragt, für ein Archiv des 1811 von diesem in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneums die Geschichtsquellen der Steiermark zusammenzutragen. Im Auftrag des Erzherzogs bereiste er 1814 in monatelangen Fußmärschen die Archive der Märkte, Städte, Pfarren und Herrschaften. Er ging dieser Aufgabe mit Fleiß und Gewissenhaftigkeit nach, wodurch sich sein Aufgabenfeld erheblich vergrößerte. 1817 wurde verfügt, dass der ständische Registrator und Archivar Wartinger auch die Archivgeschäfte beim ständischen Joanneum mitübernehme. Das war der Beginn des Joanneumsarchivs. Zusätzlich war er auch für die Betreuung des Münz- und Antikenkabinetts des Joanneums verantwortlich. Wartinger war ein vorzüglicher Kenner der alten Sprachen und der Geschichte sowie auch der historischen Hilfswissenschaften. Mit seinen Forschungen wurde er zum unentbehrlichen Anwalt der Stände. Sein umfangreiches Arbeitspensum ermöglichte es ihm allerdings nicht, nach Belieben zu forschen. Häufig kreisten seine Recherchen um konkrete Fragestellungen der Stände. Die historische Landesgeschichtsschreibung verdankt Wartinger wichtige archivalische Rettungsaktionen. 1850 ging er, 77-jährig, aus gesundheitlichen Gründen in Pension. Was von den Ständen noch zu Dienstzeiten Wartingers angestrebt wurde, aber nicht durchgesetzt werden konnte, nämlich die Befreiung des Landschaftsarchivars von der Kurrentregistratur und die Zusammenlegung der Funktion des ständischen Archivars mit der des Joanneumsarchivars, wurde nach Wartingers Amtszeit erneut diskutiert. Tatsächlich sollte es noch bis 1868 dauern, bis Joseph von Zahn (1831–1916), ab 1861 Joanneumsarchivar, als erster Landesarchivar des Steiermärkischen Landesarchivs, d.h. des mit dem 'Landschaftlichen' (= ständischen) Archiv vereinigten Joanneumsarchivs, tätig wurde. Wartinger hatte eine große Vorliebe für Preisprüfungen und Prämien. Die bekannteste von ihm gestiftete Prämie ist die so genannte 'Wartingermedaille', die er aus dem Erlös seiner "Geschichte der Steiermark" (1815) stiftete. Der Preis wurde 1818–1851 für besondere Leistungen v.a. im Bereich der steirischen Landeskunde an Gymnasiasten vergeben, 1973 griff die Steiermärkische Landesregierung diese Tradition wieder auf. Als Historiker und Archivar war Wartinger maßgeblich an der Gründung des historischen Vereins für Innerösterreich (später: Historischer Verein für Steiermark) beteiligt. 1848 wurde er korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1855 ein Ehrendoktorat der Universität Graz.
Werke (Auswahl): Beytrag zur ältesten Geschichte der Steyermark. In: Der Aufmerksame Nr. 63 (1813); Kurzgefaßte Geschichte der Steiermark (1815); Geschichte des Herzogs, dann Kaisers Albert I. In: Real-Enzyklopädie von Ersch und Gruber, I. Section, Bd. 2 (1819), S. 145; Geschichte Herzog Albert II. von Österreich. In: Real-Enzyklopädie von Ersch und Gruber, I. Section, Bd. 2 (1819), S. 391; Die Murschiffahrt. In: Taschenbuch für Vaterländische Geschichte. Hrsg. von Joseph von Hormayr (1820), S. 299f.; Etwas über die Stadt Ziup und ihre Nachbarschaft. In: Taschenbuch für Vaterländische Geschichte. Hrsg. von Joseph von Hormayr (1820), S. 301–303; Bücher-Censuranstalt in Grätz im sechzehnten Jahrhunderte. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 145f.; Domitians Münze auf Titus Vergötterung, in der Münz- und Medaillensammlung des Joanneums (mit einer Abbildung). In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 146f.; Auszug aus der Wolkensteiner Landgerichts-Ordnung vom Jahre 1478. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 147f.; Über das Befugniß der Juden, in Steyermark mit Getreide zu handeln. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 149–152; Beytrag zum steyermärkischen Tazwesen. Vorerinnerung. – Ursprung des Tazes. – Taz als öffentliches Gefäll. –Taz als Privateigenthum. – Object des Tazes. – Taz-quantum. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 152–158; Musikanten-Compagnie zu Grätz. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 159; Silberhaltiges Bleybergwerk im Pusterwalde. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 160; Leibeigene Stadtbewohner im XIV. Jahrhunderte. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 160–162; Die Grätzer-Bürger-Militz vor 250 Jahren. In: Steiermärkische Zeitschrift VIII (1827), S. 162f.; Beitrag zum steiermärkischen Tazrechte, begleitet mit den wichtigsten Tazpatenten (1828); Ältere plastische Künstler in Steyermark. In: Steiermärkische Zeitschrift XI (1833), S. 97–100; Edelsinn eines Galler. In: Steiermärkische Zeitschrift XII (1834), S. 86f.; Ursprung von Spital am Semmering. In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. I, H. 1 (1834), S. 82–86; Beitrag zu des Geographen Vischer Lebensbeschreibung. In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. I, H. 2 (1834), S. 76–78; War Leibnitz je eine Stadt? In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. II, H. 1 (1835), S. 19–22; Märkte in Steiermark, die einst Städte waren oder so genannt wurden (Feldbach, Schladming, Mürzzuschlag und Neumarkt). In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. II, H. 2 (1835), S. 92–96; Frühere Besitzer des Joanneumsgebäudes. In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. III, H. 1 (1836), S. 86–88; Privilegien der Hauptstadt Graz. Aus dem Joanneumsarchiv herausgegeben (1836); Privilegien der Kreisstadt Bruck. Aus dem Joanneumsarchiv herausgegeben (1837); Entstehung des Landhauses oder Ständehauses in Grätz. In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. V, H. 1 (1838), S. 118–125; Privilegien des Marktes Eisenerz (1841); Privilegien des Marktes Tüffer (1841); Privilegien des Marktes Vordernberg (1841); als Herausgeber: Landhandfeste Kaiser Karl des Sechsten für das Herzogthum Steiermark vom Jahre 1731 (1842); Bemerkungen zu Herrn Dr. G. F. Schreiners Aufsatz "Ueber die heut zu Tage einzig richtige Schreibung des Namens der Stadt Grätz". In: Steiermärkische Zeitschrift N.F. VII, H. 2 (1845), S. 123–272; als Herausgeber: Hymnus auf die Geburt des Messias (in griechischer Sprache). Ex Autographo Christophori Freii (1847); Ablösung der Urbarialdienste im 14. und 15. Jahrhunderte (in einigen Orten Untersteiermarks) (1849); Die älteste Originalurkunde im Joanneumsarchiv. Mit Anmerkungen von Dr. Joh. R. v. Jenull. In: Mitteilungen des Historischen Vereins für Steiermark 1 (1850), S. 83–89; Peinliches Urtheil aus einem Kloster vom 15. Jahrhundert. [Falsifikat!] In: Mitteilungen des Historischen Vereins für Steiermark 1 (1850), S. 96f.
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Literatur: ADB Bd. 41, S. 202–207.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk |
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