Joseph von Zahn |
Quelle: Website des Landes Steiermark |
|
Geb. 22. Oktober 1831 in Großenzersdorf (Niederösterreich), gest. 9. August 1916 in Illenau bei Baden-Baden (Baden-Württemberg). Joseph (Georg) Zahn – der zweite, oft verwendete Vorname steht nicht im Taufbuch – kam als drittes von sechs Kindern des Fleischhauers Johann Leonhard Zahn und dessen Frau Josefa geb. Mann zur Welt. 1876 heiratete er Maria Franziska Freiin von Ardenne (1840–1913), die Tochter des belgischen Generalkonsuls in Leipzig. Das Paar hatte zwei Kinder: Franz Joseph (1876–1877) und Maria (geb. 1878). Zahn besuchte als Stipendiat das Stadtkonvikt der Piaristen in Wien und absolvierte seine Gymnasialstudien am Akademischen Gymnasium in Wien (1842/43–1847/48). Nach dem Gymnasium soll er 1848/49 in Prag und 1849/50 in Graz studiert haben – diese Studienaufenthalte sind jedoch nicht belegbar. In den Matrikeln der Universität Wien ist er ab 1850/51 als Student der Rechtswissenschaften eingetragen. Ab dem Wintersemester 1855/56 bis zum Wintersemester 1857/58 studierte er an der philosophischen Fakultät. Schon während der Zeit seiner juristischen Studien widmete sich Zahn mit besonderem Interesse der österreichischen Geschichte. 1856 trat er in das neu gegründete Institut für österreichische Geschichtsforschung ein. 1857–1859 besuchte er den zweiten Kurs des Instituts, wo Albert Jäger (1801–1891) und Theodor von Sickel (1826–1908) seine Lehrer waren. Auf Empfehlung Jägers wurde Zahn bereits im März 1859 zum Supplenten am Institut und im April desselben Jahres zum ao. Professor an der Pressburger (Bratislava/Slowakei) Rechtsakademie ernannt. Als 1861 aufgrund der Durchführung des Oktoberdiploms in allen öffentlichen Lehranstalten Ungarisch als Unterrichtssprache eingeführt wurde, verzichteten mehrere Professoren, darunter auch Zahn, auf ihre Posten, um der Magyarisierung zu entgehen, sodass es zu einem generellen Überangebot deutschsprachiger Professoren kam. Da Zahn sich keine Chancen ausrechnete, eine Lehrkanzel an einer philosophischen Fakultät zu bekommen, bewarb er sich im März 1861 um die frei gewordene Stelle eines Archivars am 1811 von Erzherzog Johann (1782–1859) in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneum. Das Kuratorium, darunter Ignaz Maria Attems (1774–1861), Karl Gottfried von Leitner (1800–1890) und Ludwig Abt zu Rein (1823–1861), war erfreut über den kompetenten Bewerber, dem die Inventarisierung, planmäßige Ordnung und neue Aufstellung des Archivs zunächst für die Dauer eines Jahres übertragen wurde. Am 30. April 1861 erfolgte die Übergabe des Archivs. Zahns erste große Aufgabe war die Erstellung eines Entwurfs zur Archivorganisation. Ende Oktober 1861 fand die Übersiedelung in die neuen Räumlichkeiten im Joanneum statt, wo endlich mit einer geordneten Aufstellung begonnen werden konnte. Im November desselben Jahres wurde Zahn auch noch das Münz- und Antikenkabinett des Joanneums übergeben. 1863 wurde Zahn als Archivar und Vorsteher des Antikenkabinetts definitiv gestellt. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, in jedem Wintersemester Vorträge über Hilfswissenschaften der Geschichte zu halten, wobei er sich vor allem auf Diplomatik und Quellenkunde der österreichischen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der steirischen, konzentrierte. Daneben forschte und publizierte er eifrig. 1866 erfolgte seine Habilitation für Paläografie und Diplomatik, wobei von der sonst üblichen Forderung, ein Doktordiplom vorzulegen, Abstand genommen wurde. Stattdessen hielt Zahn eine Probevorlesung "Über den Wert der Diplomatik für das Studium der Geschichte". Die Leistungen Zahns und seiner Mitarbeiter zwischen 1861, dem Jahr seiner Übernahme des Joanneumsarchivs, und 1868, dem Jahr der Zusammenlegung des Joanneumsarchivs mit dem Landschaftlichen (= Landständischen) Archiv und der damit erfolgten Gründung des Landesarchivs, waren gewaltig. Eine Vereinigung der beiden Archive war bereits 1816 von Johann von Kalchberg (1765–1827) angeregt worden. Durch die Doppelstellung Joseph von Wartingers (1773–1861) als Archivar sowohl des Landschaftlichen Archivs als auch des Joanneumsarchivs hatte bereits über Jahrzehnte eine Personalunion bestanden. Unter dem Joanneumsarchivar Karl Schmit Ritter von Tavera (1832–1872) beschloss der Ständische Ausschuss 1858, das Landständische und das Joanneumsarchiv einheitlich bearbeiten zu lassen, um so eine bessere Übersicht zu gewinnen. 1863 machte der landschaftliche Registrator und Archivar Franz Rechbauer auf den Platzmangel im Landständischen Archiv aufmerksam und schlug eine Ausscheidung der für den laufenden Dienst nicht mehr benötigten Akten vor. 1868 kam es auf einen Antrag Zahns hin zur Vereinigung der beiden Archive und damit zur Vereinigung sämtlicher landschaftlicher Archivalien in einem gemeinsamen Archiv: Das Steiermärkische Landesarchiv war gegründet. Die Urkunden, Akten, Handschriften und Druckpatente des Landständischen Archivs von den Anfängen bis 1799 wurden ab Ende Februar 1869 mit dem bisherigen Joanneumsarchiv zusammengeführt. Die Publikationen Zahns standen stets in engem Zusammenhang mit seinen Archivarbeiten. Besonders hervorzuheben sind die drei Bände des "Urkundenbuches" (1875–1903), das "Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter" (1893), die "Austro-Friulana" (1877), die "Steirische Miscellen zur Orts- und Culturgeschichte der Steiermark" (1899) und natürlich die zahlreichen von ihm erstellten Archivkataloge. Das Steiermärkische Landesarchiv war nach dem mährischen das älteste Landesarchiv der österreichischen Monarchie, hinsichtlich der Organisation war es das vorbildlichste, sodass es die Aufmerksamkeit der Fachkreise erregte und für viele andere Archive zum Vorbild wurde. Zahn erhielt 1873 den Titel 'Archivdirektor' und wurde 1875 in den Adelsstand erhoben, 1879 erhielt er von der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig den Doktorgrad verliehen. 1885 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsrat, 1906 zum Hofrat. Er engagierte sich ab 1861 jahrzehntelang im Historischen Verein für Steiermark, bis er 1891 bzw. 1895 endgültig wegen persönlicher Differenzen austrat. Zahn, der das von ihm geschaffene Landesarchiv fast als sein Privateigentum betrachtete, befand sich im Konflikt mit den meisten jüngeren Historikern, die ihn als diktatorisch empfanden. Das führte dazu, dass er im Alter vereinsamte. Auch seine Versetzung in den Ruhestand 1905 stand in Zusammenhang mit persönlichen Konflikten. Nach seinem Abgang betrat er das Landesarchiv nie wieder und hörte auf über die Steiermark zu arbeiten. Nach dem Tod seiner Frau 1913 verfiel er geistig zusehends. Am 12. Juni 1914 brach er zu einem Besuch seiner Tochter nach Baden-Baden auf. Wahrscheinlich kehrte er wegen des Ausbruches des Ersten Weltkrieges nicht mehr nach Österreich zurück. 1916 starb er 85-jährig in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau an den Folgen eines Schlaganfalls.
Werke (Auswahl): Anonymi Leobiensis chronicon. Nach dem Originale herausgegeben (1865); Über die Ordnung der Urkunden am Archive des st. l. Joanneums in Graz (1867); Ferdinand III. und Leopold I. Vom Westphälischen bis zum Karlovicer Frieden (1869); Codex diplomaticus Austriaco-Frisingensis. 3 Bde. (1870–71); Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark. 3 Bde. (1875–1903); Austro-Friulana. Sammlung von Actenstücken zur Geschichte des Conflictes Herzog Rudolphs IV. von Oesterreich mit dem Patriarchata von Aquilea 1358–1365 (1877); Wappen-Buch [von Zacharias Bartsch]. Darinen aller Geistlichen, Prelaten, Herre vnd Landleut auch der Stett des löblichen Fürstenthumbs Steyer Wappen vnd Insignia mit jhren farben nach ordnung wie die im Landthauß zu Grätz angemahlt zu finden. Neu hrsg. von Josef von Zahn (1880); Stiria illustrata (1882–89); Die deutschen Burgen in Friaul. Skizzen in Wort und Bild (1883); Über das angebliche Turnier von 1194 und den "Tummelplatz" zu Graz. In: Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark 34 (1886); Das Landhaus (in Graz) und seine politische Geschichte. In: Das Landhaus in Graz. Hrsg. von Joseph Wastler (1890); Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter (1893); Steiermärkisches Wappen-Buch von Zacharias Bartsch 1567. Facsimile-Ausgabe mit historischen und heraldischen Anmerkungen von Josef von Zahn und Alfred Ritter Anthony von Siegenfeld (1893); Styriaca. Gedrucktes und Ungedrucktes zur steiermärkischen Geschichte und Culturgeschichte (1894); Joanneumsarchiv. 1. Handschriften. Katalog der Handschriften. Für das Archiv bearb. von Josef von Zahn. Hrsg. von Anton Mell. In: Publikationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive. Abt. A. Kataloge (1898); Joanneumsarchiv. Katalog der Handschriften. Für das Archiv bearb. von Josef von Zahn. Hrsg. von Anton Mell. In: Publicationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive 1,1,1 (1898); Joanneumsarchiv. Politische Bewegung des Jahres 1848. Katalog der Proclamationen, Maueranschläge und anderer Stimmen für Graz und einzelne Orte auf dem Lande. In: Publicationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive 1,1,2c (1898); Joanneumsarchiv. Katalog des Marktarchives Aussee. Für das Archiv bearb. von Anton Mell und Josef von Zahn. Hrsg. von Anton Mell. In: Publicationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive 1,1,3 (1899); Steirische Miscellen zur Orts- und Culturgeschichte der Steiermark (1899); Landschaftliches Archiv. Katalog der Gültschätzungen. In: Publicationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive. 1,2,5a,1 (1900); als Herausgeber: Steiermärkische Geschichtsblätter 1-6 (1880–1885).
|
||
Literatur: Wurzbach Bd. 59, S. 92–95.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
||
Hintergrundbild: Eine Kaplan-Turbine im Walchenseekraftwerk |
||