Johann von Kalchberg |
Anton Schlossar: Hundert Jahre deutscher Dichtung in Steiermark. 1785–1885, Wien 1893. (= Österreichische Bibliothek. 2.) S. 17. |
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Geb. 15. März 1765 auf Schloss Pichl im Mürztal (Steiermark), gest. 3. Februar 1827 in Graz (Steiermark). Johann Nepomuk Kalchegger von Kalchberg kam als Sohn des landständischen Gutsbesitzers Joseph Erhard (1704–1778; geadelt 1760) und dessen Frau Katharina geb. Wampl von Summerstorff (1744–1822) zur Welt. Er war zweimal verheiratet: 1787 vermählte er sich mit Hedwig Gamilscheg (geb. Köschner von Ehrenberg), die bereits 1789 verstarb. 1790 heiratete er Therese Santer (gest. 1836). Aus der ersten Ehe ging ein Sohn hervor, aus der zweiten zwei Söhne und drei Töchter. Kalchberg wurde zunächst auf dem väterlichen Schloss in Pichl erzogen, dann von einem Pfarrer in Hohenwang unterrichtet. Später besuchte er das fürsterzbischöfliche Knabenseminar in Graz, wo er als Schüler des Theologen und Seminarleiters Caspar Royko (1744–1819) neben dem theologischen und juristischen Fachstudium auch historischen und literarischen Interessen nachging. 1785–1788 war er als Jurist im k.k. Bancalamt in Graz tätig. Nach seinem Ausscheiden widmete er sich seinen literarischen Neigungen. 1791 und 1796 wurde er zum ständischen Ausschussrat gewählt, 1810 und 1816 zum zweiten, 1817 und 1823 zum ersten Verordneten des Ritterstands der Steiermark. Er übernahm das steiermärkisch-ständische Kanzlei-, Theater-, Archiv- und schließlich auch Steuerwesen. Nach 1796 widmete er sich vor allem politischen und kulturpolitischen Aufgaben in verschiedenen Kommissionen. Trotz seines Standesbewusstseins als Adeliger zeigte er ein starkes soziales Engagement, weshalb er von Erzherzog Johann (1782–1859) zum Mitkurator des 1811 von demselben in Graz als Museum und Lehranstalt gegründeten Joanneums berufen wurde. Er war außerdem an der Gründung des Lesevereins des Joanneums und des Steiermärkischen Musikvereins beteiligt sowie an der Gründung der "Steiermärkischen Zeitschrift", in deren Redaktion er auch über mehrere Jahre hindurch maßgeblich mitwirkte. Kalchberg war mit zahlreichen Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens wie Erzherzog Johann (1782–1859), Joseph von Hormayr (1782–1848), Ignaz Rusterholzer (1703–1788) und dem Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856) befreundet. Durch Beteiligung an einem Bleibergwerk verlor er sein privates Vermögen. 1796 verkaufte er seine seit 1792 bestehende Grazer "Bürgerzeitung" inklusive Buchdruckereigerechtigkeit an Andreas Leykam (1752–1826). Dichterisch war Kalchberg vor allem als Dramatiker tätig. Er wurde bereits mit seinem ersten Werk, dem Ritterschauspiel "Agnes, Gräfin von Habsburg" (1786) über die Steiermark hinaus bekannt. "Die Tempelherren" (1788) und "Die deutschen Ritter in Accon" (1796) stehen in der Tradition von Lessings (1729–1781) "Nathan der Weise" und zeugen von seiner konfessionellen Toleranz. Seinen größten Erfolg erzielte er mit "Die Ritterempörung", einer Dramatisierung der Baumkircher-Affäre, die später unter dem Titel "Andreas Baumkircher" aufgeführt wurde. Mit seinen historischen Dramen erreichte er Popularität und Wertschätzung. Zeitweise stand er unter dem Einfluss Schillers, mit dem er korrespondierte und in dessen "Neuer Thalia" er 1793 das Dramenfragment "Szenen aus dem Leben Kaiser Heinrichs IV." veröffentlichte. Seine historisch-archivalischen Forschungen galten vor allem "Ursprung und Verfassung der Stände Steiermarks" sowie "Ursprung und Beschaffung der Urbarialabgaben in Innerösterreich" (beide 1800 in "Historische Skizzen" erschienen). Die "Historischen Skizzen" (2 Bände) stellen eine Sammlung von Episoden aus der steirischen und deutschen Geschichte dar, die durch ihren lebendigen Stil bei einem großen Leserkreis Gefallen fand. Kalchberg war ab 1787 Mitglied der Akademischen Gesellschaft in Rom und ab 1793 der Deutschen Gesellschaft in Jena.
Werke (Auswahl): Agnes, Gräfin von Habsburg. Ein vaterländisches Schauspiel (1786) – umgearbeitet in: Wülfing von Stubenberg. Ein historisches Schauspiel in fünf Handlungen (1794); Die Tempelherren (dramat. Ged.) (1788); Die Grafen von Cilli. Eine Begebenheit der Vorzeit. 2 Tle. (1790–93) – 2. Tl. auch unter dem Titel: Ulrich Graf von Cilli (1793); Die Ritterempörung. Eine wahre Begebenheit der Vorzeit – später unter dem Titel: Andreas Baumkircher (1792); Gedichte (1793); Maria Theresia (dramat. Ged.) (1793); Die deutschen Ritter in Accon (dramat. Ged.) (1796); Historische Skizzen. 2 Bde. (1800); Attila. Ein dramatisches Gedicht (1806); als Herausgeber: Früchte vaterländischer Musen. Herausgegeben zum Besten der leidenden Menschheit (1789–90).
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Literatur: Kosch Bd. 8, Sp. 849f.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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