Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Anselm Hüttenbrenner

Anselm Hüttenbrenner

Lithografie von Josef Eduard Teltscher, 1837

Foto von Peter Geymayer, 2008
Quelle: Wikipedia

Impressum

Geb. 13. Oktober 1794 in Graz (Steiermark), gest. 5. Juni 1868 in Ober-Andritz/Graz.
Komponist, Pianist, Musikkritiker.

Anselm Hüttenbrenner kam als Sohn des Gutsbesitzers und Magistratsrats Anselm (1769–1820) und der Theresia geb. Remschmid (geb. 1769) in Graz zur Welt. Ab dem siebten Lebensjahr erhielt er Klavier- und Gesangsunterricht beim Grazer Domorganisten Matthäus Gell (gest. 1810), ab 1808 auch Unterricht in Generalbass. Er besuchte das Lyzeum in Graz und trat 1811 auf Wunsch seiner Eltern als Novize in das Zisterzienserstift Rein bei Graz ein, wo er rund zwei Jahre lang blieb und sich im Orgelspiel bildete. Er erkannte jedoch, dass der geistige Stand nicht seinen Lebenszielen entsprach, trat aus und begann ein Studium der Rechtswissenschaften, das er in Wien und Graz betrieb und 1818 in Graz abschloss.

1815–1819 bekam er durch Vermittlung des Grafen Moritz Christian von Fries (1777–1826) Unterricht von Antonio Salieri (1750–1825) in Gesang und Komposition. Zu dessen Schülern gehörte auch Franz Schubert (1797–1828), mit dem Hüttenbrenner sich anfreundete. In seiner Wiener Zeit lernte er außerdem Ludwig van Beethoven (1770–1827) kennen; eine enge Freundschaft verband ihn mit dem Geiger Jakob Lorber (1800–1864), der sich als christlicher Schriftsteller und "Schreibknecht Gottes" einen Namen machte.

1817 erschien Hüttenbrenners erste Komposition bei Steiner & Co. in Wien im Druck. Zwei Jahre später wurde seine heute verschollene 1. Symphonie in E im Grazer Musikverein uraufgeführt. Hüttenbrenner hatte sich in Wien als Pianist und Klavierlehrer bereits einen Namen gemacht, als der frühe Tod des Vaters ihn 1821 zwang, nach Graz zurückzukehren, um die Verwaltung der Familiengüter zu übernehmen. Im selben Jahr heiratete er Elise von Pichler (1800–1848), mit der er drei Söhne und sechs Töchter hatte. Auch die neuen Lebensumstände ermöglichten es ihm zu komponieren und musikkritische Beiträge für in- und ausländische Zeitungen zu verfassen. Gemeinsam mit Johann Baptist Jenger (1792–1856) redigierte er die "Musikalische Blumenlese" und bemühte sich besonders um die Förderung zeitgenössischer Musik.

Eine sehr wichtige Rolle spielte er für den 1815 gegründeten Steyermärkischen Musikverein (heute: Musikverein für Steiermark), dem er ab 1820 als Ehrenmitglied angehörte: Ab dem 1. Juli 1824 war er dessen provisorischer, ab 17. März 1825 definitiver Direktor, ein Amt das er zunächst bis 1829 und anschließend noch einmal von 1831–1839 ausübte. Dabei lagen ihm sowohl der Unterrichtsbetrieb in den Schulen des Musikvereins als auch das öffentliche Konzertleben am Herzen. Im Theater trat er als Dirigent seiner eigenen Werke auf.

Hüttenbrenners Kompositionen waren zu seiner Zeit hoch geschätzt, etwa seine nach einem Text von Karl Gottfried von Leitner (1800–1890) und Ignaz Kollmann (1775–1837) entstandene Oper "Leonore" und mehrere Messen. 1840 wurde der bekannteste steirische Komponist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ehrenmitglied des "Deutschen Nationalvereins für Musik und ihre Wissenschaft" ausgezeichnet.

Nach dem Tod seiner Frau Elise (1848) zog er sich ins Privatleben zurück. 1852 übersiedelte er nach Bad Radkersburg (Steiermark), wo er engere Kontakte nur noch zu seinem begabtesten Schüler, dem Flötenvirtuosen Jakob Eduard Schmölzer (1812–1886), pflegte. 1853 folgte er einer Einladung seines Freundes, des Dichters Ferdinand von Rast (1808–1889), nach Marburg (Maribor/Slowenien), wo er das Komponieren wieder aufnahm. 1854 verbrachte er etwas Zeit in Wien und verfasste dort auf Anregung von Franz Liszt (1811–1886) seine "Bruchstücke aus dem Leben des Liederkomponisten Franz Schubert". Ab 1858 hielt er sich abwechselnd in Graz, Marburg, Wien, Radkersburg, Pettau (Ptuj/Slowenien) und Cilli (Celje/Slowenin) auf. Seinen letzten Wohnsitz nahm er schließlich in Ober-Andritz, damals ein Vorort von Graz.

In seinen letzten Lebensjahren komponierte er nur noch wenig und beschäftigte sich vor allem mit theologischen Fragestellungen sowie dem Magnetismus.

 

Werke (Auswahl):

Kirchenmusik (6 Messen, 3 Requien); Opern: Leonore (Text: Karl Gottfried von Leitner und Ignaz Kollmann), Oedip zu Colonos (aus dem Französischen von C. Herklots); ca. 240 Lieder für Singstimme mit Klavierbegleitung; Männerquartette, Männerchöre; Orchesterwerke (2 Symphonien, Ouvertüren); Kammermusik (2 Streichquartette, Streichquintett); zwei- und vierhändige Klavierwerke (3 Sonaten, Tableaux musicaux, 22 "Geisterszenen"); einige verschollene Werke.
Ein sehr ausführliches Werkverzeichnis befindet sich in "Musik in Geschichte und Gegenwart" (MGG) Bd. 6, S. 847–849.
Schriften: Bruchstücke aus dem Leben des Liederkomponisten Franz Schubert. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 16 (1906); musikkritische Beiträge, insbesondere für "Der Aufmerksame" (= Beiblatt der "Grätzer Zeitung").

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

oeml Bd. 2, S. 824.
MGG Bd. 6, S. 845–851.
ADB Bd. 50, S. 523–525.
NDB Bd. 9, S. 747.
Wurzbach Bd. 9, S. 406–409.
ÖBL Bd. 3, S. 6.
GdSG Bd. 4, S. 213.
AEIOU.
DBE.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, Juni 2011

 
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