Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Marie Leopoldine Pachler
geborene Koschak

Marie Leopoldine Pachler

Ausschnitt aus einem Gemälde von Josef Abel, spätestens 1818

Quelle: Wikipedia

Impressum

Geb. 2. Februar 1794 in Graz (Steiermark), gest. 10. April 1855 in Graz.
Pianistin, Komponistin.

Marie Leopoldine Koschak kam als Tochter des aus Cilli (Celje/Slowenien) stammenden Rechtsanwalts und juridischen Fachschriftstellers Aldobrand Koschak (1759–1813) und dessen Frau Therese geb. Ruard in Graz am Franziskanerplatz 33 zur Welt. Der Vater, selbst ein Musikfreund, förderte die musikalische Entwicklung seiner Tochter und ließ sie in Klavier und Gesang unterrichten. In seinem Haus versammelte er Musiker, Künstler und einflussreiche Persönlichkeiten. Außerdem veranstaltete er regelmäßig Konzerte, bei denen seine Tochter, die als musikalisches Wunderkind galt, häufig auftrat. Schon als Neunjährige komponierte sie Märsche, die von den Regimentskapellen in Graz gespielt wurden, und Tanzstücke für die väterlichen Hausbälle. Großen Einfluss auf die Entwicklung des jungen Mädchens hatte der am Grazer Lyzeum unterrichtende Professor der Geschichte Julius Franz Schneller (1777–1833). Er führte sie in die Meisterwerke der Literatur ein und machte sie mit den Werken Ludwig van Beethovens (1770–1827) bekannt.

Im Zuge des österreichischen Staatsbankrotts von 1811 – dieser war eine Folge der Zerrüttung der Staatsfinanzen im Verlauf der Napoleonischen Kriege; nach der Niederlage im 5. Koalitionskrieg (1809) musste Österreich hohe Kriegskontributionen an Frankreich zahlen – wurde das Geld auf ein Fünftel seines bisherigen Werts abgewertet und die Familie Koschak verlor ihr Vermögen. Zwar reisten Mutter und Tochter nach Laibach (Ljubljana/Slowenien), um dort Prozesse zu führen und das Familienvermögen zu retten, doch war ihrer Mission kein Erfolg beschieden. Der Vater erkrankte und Marie Koschak fasste, wahrscheinlich aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Familie, den Entschluss, Berufsmusikerin zu werden. Ein reicher, kinderloser Kaufmann aus Triest, Freund des Hauses Koschak, bot sich an, Marie zu adoptieren, zur Künstlerin ausbilden und reisen zu lassen. Fast wäre es dazu gekommen, hätte die Tochter nicht der dringenden Bitte der Mutter nachgegeben, sie mit dem kranken Vater nicht allein zu lassen. Die junge Frau entschied sich gegen die Reise und damit gegen eine Karriere als Berufsmusikerin. Ab 1811 trat sie nur noch im privaten Bereich auf.

1816 heiratete Marie Koschak den Grazer Bierbrauer und Advokaten Dr. Karl Pachler (1789–1850), den Besitzer des "Rabenschinderhauses" (heute: "Herrenhof") in der Grazer Herrengasse.

1817 lernte Marie, die eine begeisterte Beethoven-Anhängerin war, den Komponisten in Wien kennen. Zweimal luden ihr Mann und sie ihn nach Graz ein, ohne jedoch Antwort zu erhalten. Vermutungen, wonach eine darüber hinausgehende Beziehung zwischen Beethoven und der Grazer Pianistin bestanden habe, hat ihr Sohn Faust (1819–1891) glaubhaft widerlegt. Ein häufig zitierter Brief Beethovens, in welchem er die junge Frau als besonders würdige Interpretin, als "wahre Pflegerin" seiner "Geisteskinder" bezeichnet, gilt heute als Fälschung.

Nach der Heirat führte das Ehepaar Pachler einen Salon, der bis um 1830 Zentrum des Grazer Bildungsbürgertums war. Marie Pachler widmete sich den Klavierwerken Beethovens und Franz Schuberts (1797–1828) und improvisierte musikalische Porträts, durch die sie anwesende Personen charakterisierte. Im Sommer wurde der Salon auf Gut Sparbersbach fortgesetzt. Zu den Gästen gehörten der schon erwähnte Historiker Schneller, Anton Prokesch von Osten (1795–1876), ein Jugendfreund Maries, der Komponist Anselm Hüttenbrenner (1794–1868), der Musiker Anton Halm (1789–1872) sowie die Dichter Karl Gottfried von Leitner (1800–1890) und Karl von Holtei (1798–1880). Als Franz Schubert 1827 auf Vermittlung von Johann Baptist Jenger (1793–1856) Graz besuchte, war er vom 3. bis 20. September Gast der Familie Pachler. Auf Maries Anregung hin vertonte er die Lieder "Heimliches Lieben" (D 922), "Eine altschottische Ballade" (D 923) sowie Leitners Gedichte "Das Weinen" (D 926) und "Vor meiner Wiege" (D 927), die er seiner Gönnerin widmete. Der "Kindermarsch" (D 928) für Klavier zu vier Händen wurde für Karl Pachlers Namenstag komponiert und von Marie Pachler und ihrem damals siebeneinhalbjährigen Sohn Faust 1827 uraufgeführt.

1835 adoptierte das Ehepaar Pachler Friedrich Kaltenegger von Riedhorst (1820–1892), den Sohn einer Freundin, der gemeinsam mit Faust aufwuchs und später Landeshauptmann von Krain wurde.

 

Werke (Auswahl):

Marie Pachler komponierte Klavierstücke, von denen jedoch keines veröffentlicht wurde und die heute weitgehend verloren sind.

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

oeml Bd. 4, S. 1706.
Wurzbach Bd. 21, S. 165f.
ÖBL Bd. 7, S. 238.
GdSG Bd. 4, S. 359.
Marie Leopoldine Pachler im Sophie Drinker Institut für musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung: http://www.sophie-drinker-institut.de/cms/index.php?page=pachler-koschak-marie.
Pachler, Faust: Beethoven und Marie Pachler-Koschak. Beiträge und Berichtigungen. In: Neue Berliner Musikzeitung (1865), S. 381f., 389–31, 397–399, 405–407 (und Beilage), 413–415; (1866) S. 1f.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, Juni 2011

 
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