Anton Prokesch von Osten |
Lithografie von Josef Kriehuber, 1855 Foto: Peter Geymayer, 2008 Quelle: Wikipedia |
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Geb. 10. Dezember 1795 in Graz (Steiermark), gest. 26. Oktober 1876 in Wien. Anton Franz Prokesch kam als Sohn des Maximilian Franz Prokesch (1767/68–1811), eines Beamten der staatlichen Buchhalterei, Amtsrichters und Landesgerichtsverwalters in und um Graz und der Marie Anna geb. Stadler (1770–1804) zur Welt. Nach dem frühen Tod seiner Mutter bekam er 1805 Gabriele Piller (1789–1849) zur Stiefmutter, die nach dem Tod ihres Mannes ab 1815 in zweiter Ehe mit dem Schriftsteller Julius Franz Schneller (1777–1833) verheiratet war, den Prokesch als seinen 'Pflegevater' bezeichnete. Prokesch heiratete 1832 Irene geb. Kiesewetter von Wiesenbrunn (1811–1872). Das Paar hatte fünf Söhne, von denen drei jedoch sehr früh starben, und eine Tochter. Nur der älteste Sohn Anton (1837–1919) und die Tochter Irene, verheiratete von Reyer (1841–1898) überlebten den Vater. Weiters hatte Prokesch einen unehelichen Sohn aus der Verbindung mit Wilhelmine Reichenbach, der Frau eines Leipziger Bankiers. Prokesch begann 1812 ein Studium der Rechtswissenschaften in Graz und nahm 1813 als Freiwilliger am Krieg gegen Napoleon teil. Er brach sein Studium ab und schlug die Offizierslaufbahn ein. 1815 nahm ihn Erzherzog Karl (1771–1847), der Napoleon in der Schlacht bei Aspern 1809 die erste Niederlage auf dem Schlachtfeld zugefügt hatte, als Ordonnanzoffizier zu sich nach Mainz, 1816 kam er in die Garnison nach Linz und 1817 wurde er zum Professor für Mathematik an die Kadettenschule in Olmütz (Olomouc/Tschechien) bestellt. 1818 ernannte ihn Feldmarschall Fürst Karl Schwarzenberg (1771–1820) zum Adjutanten. Die Hofkriegsräte Siegmund Heinrich Freiherr von Kavanagh-Ballyane (geb. 1784) und Fürst Franz Dietrichstein förderten seine weitere militärische Karriere. Prokesch stand mit der Familie Schwarzenberg in Verbindung und verkehrte in Wien in den Zirkeln von Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856) sowie von Caroline Pichler (1769–1843) und in Graz im Salon seiner Jugendliebe Marie Pachler (1794–1855). Zwei Jahre lang (1821–1823) war Prokesch als Landvermesser in den oberungarischen Karpaten tätig, bevor er 1823 nach Triest in Garnison kam. Mit der auf seinen Wunsch erfolgten Versetzung zu den Marineeinheiten der Levante 1824 begann seine diplomatische Laufbahn. Prokesch wurde von Friedrich von Gentz (1764–1832) sowie Franz Xaver Freiherr Ottenfels von Gschwind (1778–1851), damals Internuntius von Konstantinopel, protegiert und es gelang ihm, als Kriegsberichterstatter Fürst Metternich (1773–1859) auf sich aufmerksam zu machen. Er interessierte sich jedoch nicht nur für die militärische Berichterstattung, sondern sammelte auf seinen Reisen durch Griechenland, Kleinasien, Ägypten, Syrien und das Heilige Land auch Material für seine Reiseliteratur: die dreibändigen "Erinnerungen an Ägypten und Kleinasien" (1829–31), "Das Land zwischen den Katarakten des Nil" (1831), "Reise ins Heilige Land" (1831) sowie die dreibändigen "Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Oriente" (1836), eine Zusammenstellung von Briefen Prokeschs an seinen 'Pflegevater' Julius Franz Schneller, die von Ernst Münch aus Schnellers Nachlass herausgegeben wurde. Die Fülle von topografischen, archäologischen, ethnografischen und kunstgeschichtlichen Details verhalf den Reisewerken zu Lob und Anerkennung durch Geografen und Altertumsforscher. Prokesch goss seine Reiseerfahrungen aber auch in Gedichtform: Die Elegien, Sonette und Stimmungsbilder, die die Eindrücke des Orients widerspiegeln, erschienen 1844 im sechsten Band der von Hermann Fürst Pückler-Muskau herausgegebenen "Kleinen Schriften" (7 Bände, 1842–44). 1831–1832 wurde Prokesch als außerordentlicher Gesandter nach Italien beordert, 1833 zu Friedensverhandlungen nach Alexandria, 1834–1848 (?) als Gesandter nach Athen, von wo er jedoch nach dem Sturz Metternichs abberufen und 1849–1853 als außerordentlicher Gesandter nach Berlin sowie 1853–1855 als Bundespräsidialgesandter nach Frankfurt am Main geschickt wurde. Seine Briefe aus dieser Zeit (1849–1855) wurden 1896 veröffentlicht. 1855 wurde Prokesch als Internuntius nach Konstantinopel bestellt, wo er dann 1867–1871 als Botschafter tätig war. Prokeschs politische Bedeutung liegt in seiner gräkophilen Haltung im griechischen Freiheitskampf und in seiner Vermittlung in den orientalischen Wirren um Mehmed Ali von Ägypten. Während er in den frühen Jahren seiner diplomatischen Laufbahn zahlreiche Erfolge zu verbuchen hatte (Gefangenenaustausch zwischen Griechen und Ägyptern 1828, Verhandlungen mit Abdallah Pascha von Akko 1829, Friedensvermittlung in Alexandria zwischen dem Sultan und Mehmed Ali 1833), stieß er in späteren Jahren als von Metternich geprägter konservativer Diplomat immer mehr auf Ablehnung. Politische Meinungsverschiedenheiten zwischen dem damaligen Außenminister Graf Gyula Andrássy (1823–1890) führten 1871 zu seiner Versetzung in den Ruhestand. Prokesch war nicht nur als Reiseschriftsteller, sondern auch als historischer Fachschriftsteller tätig. Zu seinen wichtigsten Werken gehört die sechsbändige "Geschichte des Abfalls der Griechen vom türkischen Reiche im Jahre 1821 und der Gründung des hellenischen Königreiches, aus diplomatischem Standpuncte", die während seiner Zeit als Gesandter am griechischen Hof entstand, aufgrund russischer Einwände aber erst 1867 erscheinen konnte. Ab 1871, dem Jahr seiner Pensionierung sowie seiner Erhebung in den Grafenstand, bereiste Prokesch Nordafrika und Frankreich und bereitete den Druck der Monografie "Mehmed Ali, Vize-König von Ägypten. Aus meinem Tagebuche. 1826–1841" (1877) und seiner "Selbstbiographischen Aufsätze" (1878) vor, in denen er seine Gesandtschaften nach Italien sowie sein Verhältnis zum Herzog von Reichstadt (1811–1832) verarbeitete. Beide Werke erschienen erst nach seinem Tod. Prokesch erhielt zahlreiche in- und ausländische Auszeichnungen, er war u.a. ab 1839 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, ab 1848 korrespondierendes und ab 1852 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, ab 1861 Mitglied des Herrenhauses des Reichsrates. 1868 wurde ihm ein Ehrendoktorat der Universität Graz verliehen.
Werke (Auswahl): Bonaparte und sein letzter Schritt (1814); Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Feldmarschalls Fürsten Carl zu Schwarzenberg (1823); als Herausgeber: Über den Kosaken und dessen Brauchbarkeit im Felde. In: Östreichische militärische Zeitschrift (1824), H. 9; Erinnerungen an Ägypten und Kleinasien. 3 Bde. (1829–31); Das Land zwischen den Katarakten des Nil (1831); Reise ins Heilige Land. Im Jahr 1829 (1831); Schreiben an *** über den Herzog von Reichstadt. Von einem seiner Freunde (1832); Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Oriente. Aus Jul. Schnellers Nachlaß. Hrsg. von Ernst Münch. 3 Bde. (1836); Kleine Schriften. Gesammelt von einem Freunde [Hermann Fürst Pückler-Muskau]. 7 Bde. (1842–44); Geschichte des Abfalls der Griechen vom türkischen Reiche im Jahre 1821 und der Gründung des hellenischen Königreiches, aus diplomatischem Standpuncte. 6 Bde. (1867); Bei Enthüllung des Denkmals des Feldmarschalls Fürsten Karl zu Schwarzenberg (1867); Mehmed Ali, Vize-König von Ägypten. Aus meinem Tagebuche. 1826–1841 (1877); Zur Geschichte der orientalischen Frage. Briefe aus dem Nachlasse Friedrichs von Gentz 1823–1829 (1877); Mein Verhältniß zum Herzog von Reichstadt. Zwei Sendungen nach Italien. Selbstbiographische Aufsätze (1878); Briefwechsel mit von Gentz und Fürsten Metternich (1881); Aus den Briefen (1849–55) (1896); Aus dem Nachlasse des Grafen Prokesch-Osten. Briefwechsel zwischen Erzherzog Johann Baptist von Österreich und Anton Graf Prokesch-Osten. Nebst Auszügen aus den Tagbuchblättern des Erzherzogs Johann über seinen Aufenthalt in Athen im November 1837. Mit Anmerkungen, Erläuterungen, Aktenstücken etc. hrsg. von Anton Schlossar (1898); Beiträge und Bilder zur Geschichte Metternichs und seiner Zeit. Aus den Tagebüchern des Grafen Prokesch-Osten k. u. k. österreichisch-ungarischen Botschafters und Feldzeugmeisters 1830–34. Hrsg. von Josef Wimmer (1910); Abendland – Morgenland (eingeleitet und ausgewählt von Ernst Joseph Görlich) (1956); Und nur das Wandern ist mein Ziel. Hrsg. von Georg Pfligersdorffer (1978).
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Literatur: Kosch Bd. 12, Sp. 335f.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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