Julius Franz Schneller Pseudonyme: Friedrich Hain, Julius Velox |
Kirche – Bildung – Kultur. Mit Beiträgen von Gottfried Biedermann u.a. Graz: Eigenverlag der Stadt Graz 2003. (= Geschichte der Stadt Graz. 3.) S. 561. |
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Geb. 9. März 1777 in Straßburg (Strasbourg/Frankreich), gest. 15. Mai 1833 in Freiburg im Breisgau (Baden, heute: Baden-Württemberg). Franz Ludwig Borgias Schneller – so lautet der korrekte Taufname – war der Sohn von Franz Borgias Schneller, Professor für römisches Recht an der Universität Freiburg im Breisgau (damals: Vorderösterreich). Seine Mutter war französischer Abstammung. 1791–1795 studierte er an der philosophischen Fakultät, ab 1794 auch an der juridischen Fakultät in Freiburg. Neben den Rechtswissenschaften belegte er Mathematik, Geschichte und klassische Philologie. 1796, als Freiburg an die Franzosen fiel, musste Schneller aufgrund seiner Aktivitäten im Freiburger Freiwilligenkorps gegen die Franzosen die Stadt verlassen. Die letzten beiden Jahre seines Rechtswissenschaftsstudiums absolvierte er 1796–1798 an der Universität Wien. Dort arbeitete er auch als Erzieher, u.a. bei dem Grafen Sinzendorf. Als Reisebegleiter kam er nach Paris, London, Venedig und Belgrad. 1804 wurde er beim Bücherrevisionsamt als Zensor angestellt. 1805 ging er als Professor für Weltgeschichte und Österreichische Geschichte an das Linzer Lyzeum, 1806 kam er in derselben Funktion nach Graz. Auf Anregung Erzherzog Johanns (1782–1859) las er auch steirische Geschichte. In Graz wurde Schneller zum Begründer eines sehr aktiven, schöngeistigen Kreises. Er beeinflusste wesentlich das gesellschaftliche und künstlerische Leben der Stadt. Verheiratet mit Gabriele Prokesch, der Stiefmutter von Anton Prokesch von Osten (1795–1876), wurde er zu dessen Stiefvater und Lehrer. 1817 wurde er Vater einer Tochter, Ida Gabriele. Schneller entfaltete eine reiche Publikationstätigkeit. Er bearbeitete als Erster systematisch die Geschichte der österreichischen Länder und nahm die später von Franz Xaver von Krones (1835–1902) verwendete Disposition vorweg, indem er zunächst die Geschichte der Einzelländer bis zu deren Vereinigung gesondert und anschließend im Gesamtverband darstellte. Jedoch wurden sowohl seine österreichische Staatengeschichte als auch seine Weltgeschichte als Lehrbücher abgelehnt, da sie zu essayistisch aufgelöst bzw. zu poetisch und zu wenig sachlich-neutral erschienen. Bereits 1810 hatte er mit der Zensur Konflikte auszufechten. 1817 kam es in Zusammenhang mit der Drucklegung des Schlussteils seiner Staatengeschichte zu einer großen Zensuraffäre. Schneller, der als Bewunderer von Josef II. (1741–1790) und Napoleon Bonaparte (1761–1829) galt, stand ab 1810 in regem Kontakt mit dessen jüngerem Bruder Louis Napoleon (1778–1846), dem nach seiner Abdankung als holländischer König im Juli 1810 von Kaiser Franz II./I. (1768–1835) in Österreich Asyl gewährt wurde und der 1810–1813 in Graz lebte. Aufgrund dieses Kontakts wurde Schneller von den Behörden überwacht. 1813 wurde er wegen 'Freigeisterei' angeklagt, was 1818 eine Überprüfung seiner Lehrtätigkeit durch einen Regierungskommissär nach sich zog. In seiner Freizeit war Schneller ein leidenschaftlicher Musiker. Er gehörte dem Steyermärkischen Musikverein (heute: Musikverein für Steiermark) an und vermittelte zwischen den akademischen Musikern und dem Grazer Bürgertum. 1823 verließ Schneller Österreich. Für seine Aktivitäten während der Franzoseninvasion des Jahres 1809 und sein Wirken danach wurde er zum Ehrenbürger von Graz ernannt. Er kehrte als Professor für Philosophie nach Freiburg zurück, wo er, der in Graz mit seiner vergleichsweise liberalen Auffassung Anstoß erregt hatte, in dem viel liberaleren Umfeld plötzlich als zu konservativ kritisiert wurde. Bis zu seinem Tod 1833 lehrte er in Freiburg, war mehrmals Dekan der philosophischen Fakultät sowie 1829, 1832 und 1833 Prorektor. Schneller war Ehrenbürger von Linz und Graz sowie ab 1830 großherzoglich badischer Hofrat.
Werke (Auswahl): Über Preußens Demarcationslinien (1795); Gefangenschaft (Lustsp.) (o.J.); Vitellia (Trauerspiel, aufgeführt am Hofburgtheater Wien 1804); Weltgeschichte. Zur gründlichen Erkenntniß der Schicksale und Kräfte des Menschengeschlechts. 4 Bde. (1808–13); Plante. Eine Ausgabe der Selbstbetrachtung des Marcus Aurelius in sechs Sprachen (o.J.); Ungarns Schicksale und Thatkraft vor dem Vereine mit Böhmen, Österreich und Steyermark (1817); Böhmen's Schicksal und Thatkraft vor dem Vereine mit Ungarn, Östreich und Steyermark (1817); Staatengeschichte des Kaiserthums Österreich von der Geburt Christi bis zum Sturze Napoleons. 6 Bde. (1817–20); Östreichs und Steyermarks Thatkraft vor dem Verein mit Ungarn, Böhmen und unter sich (1818); Bundes-Anbeginn von Ungarn, Böhmen, Östreich, Steyermark in den Jahrhunderten der Rohheit (1819); Weiblichkeit. Drei Sonette. Ein Weihnachtsgeschenk (1821); Über den Zusammenhang der Philosophie mit der Weltgeschichte. Akademische Antrittsrede (in Freiburg im Breisgau) (1824); Über den Einfluß der Weltgeschichte auf die Philosophie (1824); Geschichte von Böhmen. 3 Bde. (1827f.); Geschichte der Menschheit, als Grundlage der Anthropologie. 2 Bde. (1828); Der Mensch und die Geschichte. Philosophisch und kritisch bearbeitet. 3 Bde. (1828); Geschichte von Österreich und Steyermark. 4 Bde. (1828); Österreichs Einfluß auf Deutschland und Europa seit der Reformation bis zu den Revolutionen unserer Tage. 2 Bde. (1828f.); Geschichte von Ungarn. 3 Bde. (1829–33); Chateaubriand, Genius des Christentums. 5 Bde. (Übersetzung) (1827–32); Zeitgeist (Rede) (1830); Gedächtnißrede auf Ludwig, Großherzog von Baden (1830); Weiblichkeit (Sonettenkranz) (1830); Geschichte des Weltlaufes und Zeitgeistes. 3 Bde. (1830–34) (beendet von E. Münch); Jetzt! Taschenbuch der Zeitgeschichte für 1832 (1831/32); Jahrbuch neuester Thaten und Zeiten für 1833 (auch u.d.T.: Das Jahr 1831 in seinen Staatsumwälzungen und Hauptereignissen vollständig dargestellt) (1833); Julius Schneller. Hinterlassene Werke. Hrsg. von E. Münch. 16 Bde. (mit Biografie und Briefwechsel; enthält mit Ausnahme zweier Theaterstücke nur bereits zuvor Veröffentlichtes) (1834–42); Julius Schnellers Briefe an Marie Koschak-Pachler. Hrsg. von H. Lohberger. In: Blätter für Heimatkunde 48 (1974).
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Literatur: Kosch Bd. 15, Sp. 643f.
Autorin des Artikels: Birgit Scholz, April 2011 |
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Hintergrundbild: Dank von Carla Gräfin Attems im Auftrag von Erzherzogin Maria Josepha an Katharina Prato für das 200.000 Exemplar der "Süddeutschen Küche", 1899 |
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