Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert online
Lexikon Wilhelm Kienzl

Wilhelm Kienzl

Quelle: Wikipedia

Impressum

Geb. 17. Jänner 1857 in Waizenkirchen (Oberösterreich), gest. 3. Oktober 1941 in Wien.
Komponist, Musikschriftsteller.

Wilhelm Kienzl kam als Sohn des gleichnamigen Rechtsanwalts und späteren Grazer Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten (1827–1902) und dessen Frau Anna geb. Kafka (1836–1916), der Tochter eines aus Böhmen stammenden Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten, im oberösterreichischen Waizenkirchen zur Welt.

Kienzl wuchs ab 1861 (laut anderen Quellen: 1860) in Graz auf, wo er auch Musikunterricht erhielt: Seine Lehrer waren Johann Buwa (1828–1907) und ab 1872 der Chopin-Schüler Henri Louis Stanislas Mortier de Fontaine (1816–1883) für das Klavier, seine ersten Geigenstunden hatte er bei Ignaz Uhl. Im Alter von neun Jahren trat er ins Gymnasium ein. Er besuchte regelmäßig Opernaufführungen und begann schon als Kind mit ersten Kompositionen für Klavier, Gesang, Chor und Kammermusik. Der Komponist Wilhelm Mayer(-Rémy) (1831–1898) wurde sein Tonsatzlehrer.

Kienzl begann ein Philosophiestudium an der Universität Graz, wo er auch musikhistorische Vorlesungen bei Friedrich von Hausegger (1837–1899) belegte. Die Fortsetzung seiner Studien führte ihn nach Prag (-> Kompositionsunterricht beim Direktor des dortigen Konservatoriums, Josef Krejči; 1821–1881), Leipzig und Wien, wo er 1879 bei Eduard Hanslick (1825–1904) mit der Dissertation "Die musikalische Deklamation" promovierte. Kienzl unternahm Studienreisen nach Weimar, Leipzig und Bayreuth sowie in die Schweiz, wodurch er viele bedeutende Künstler seiner Zeit persönlich kennen lernte. Zu seinen engsten Freunden gehörten die steirischen Dichter Peter Rosegger (1843–1918) und Robert Hamerling (1830–1889). 1881 unternahm er als Pianist und Dirigent Konzertreisen durch Südosteuropa und Deutschland. 1883 wurde er erster Kapellmeister der deutschen Oper in Amsterdam. 1884–1889 hielt er sich als Musikvereinsdirektor in Graz auf, um danach in Hamburg, wo er sich allerdings nur eine Saison lang (1890/91) halten konnte, und in München (1992/93) Kapellmeisterstellen anzutreten. Nach seiner Rückkehr nach Graz – hier sollte er sich 1897–1917 aufhalten – wurde er künstlerischer Direktor des Steyermärkischen Musikvereins (heute: Musikverein für Steiermark) und Musikreferent beim "Grazer Tagblatt". 1886 heiratete Kienzl die Sängerin Pauline ("Lilli") Hoke (1867–1919), Tochter eines Linzer Rechtsanwalts, die er in Bayreuth kennen gelernt hatte. Die Sommer verbrachte er stets in Bad Aussee (Steiermark).

1917 übersiedelte der Komponist und Musikschriftsteller, der durch den Welterfolg seiner Opern "Der Evangelimann" (1894, UA 1895 in Berlin) und "Der Kuhreigen" (1911) internationale Berühmtheit erlangt hatte, nach Wien. Staatskanzler Karl Renner (1870–1950) beauftragte ihn mit der Komposition einer Staatshymne für die Erste Republik Österreich. Den Text dazu ("Deutschösterreich, du herrliches Land") hatte der Kanzler selbst verfasst. Die Hymne (op. 101), die 1920–1929 als "inoffizielle Hymne Österreichs" galt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen, was nicht nur an Kienzls wenig eingänglicher Melodie, sondern auch am nicht gerade volksnahen Text des Sozialisten Renner lag. Hinzu kam, dass es Österreich gemäß den Bestimmungen des Vertrags von Saint-Germain (1919) untersagt war, den Namen "Deutschösterreich" zu führen, den Renner in seinem Text verwendete. 1929 wurde die "Renner-Kienzl-Hymne" durch die ebenfalls nicht unproblematische "Kernstock-Hymne" ("Sei gesegnet ohne Ende") des deutschnationalen Dichters Ottokar Kernstock (1848–1928) ersetzt.

Nach dem Tod seiner ersten Frau schloss Kienzl 1921 eine zweite Ehe mit der Schriftstellerin Helene Lechner, verwitwete Bauer (geb. 1876), die für ihn Libretti schrieb und sich für die Pflege seiner Werke einsetzte.

Kienzls Bedeutung als Komponist liegt vor allem im Bereich der Oper. Wie seine Zeitgenossen Gustav Mahler (1860–1911) und Hugo Wolf (1860–1903) begann auch er seine künstlerische Laufbahn unter dem Eindruck Richard Wagners (1813–1883) und der neudeutschen Schule; ein weiteres wichtiges Vorbild war Robert Schumann (1810–1856). Seine Erstlingsoper "Urvasi" (1884) orientiert sich unmittelbar an Wagner. Mit den von ihm als "musikalische Schauspiele" bezeichneten Opern "Der Evangelimann" und "Der Kuhreigen" prägte er einen volkstümlich-österreichischen Typ der zeitgenössischen Oper. 1916 komponierte er "Das Testament", eine Oper in steirischem Dialekt. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens liegt auf dem Klavierlied, das zahlenmäßig den größten Raum in seinem Oeuvre einnimmt. Kienzl widmete sich auch dem Orchesterlied und dem Klaviermelodram, hinterließ jedoch nur wenig Kammermusik und symphonische Musik. Sein Werkverzeichnis umfasst 123 Opuszahlen, darunter u.a. zehn musikalische Bühnenwerke, zehn Chorwerke mit Orchester, an die 100 A-capella-Chöre sowie mehr als 200 Sololieder.

Anlässlich seines 80. Geburtstags erhielt Kienzl zahlreiche Ehrungen, darunter das Ehrenzeichen der Republik Österreich und den Ehrenring der Stadt Wien.

 

Werke (Auswahl):

Klavier- und Orgelstücke; Kammermusik (3 Streichquartette); Orchesterwerke; Chorwerke (u.a. Männerchöre); Klavier- und Orchesterlieder; Klaviermelodramen; Opern und andere Bühnenwerke.
Ein sehr ausführliches Werkverzeichnis befindet sich in "Musik in Geschichte und Gegenwart" (MGG) Bd. 7, S. 888–892.
Schriften: Aus Kunst und Leben (1904); Im Konzert (gesammelte Konzertkritiken) (1908); Betrachtungen und Erinnerungen (1909); Meine Lebenswanderung (Autobiografie) (1926).

 

Abkürzungsverzeichnis

Literatur:

oeml Bd. 2, S. 995.
MGG Bd. 7, S. 887–892.
NDB Bd. 11, S. 587f.
ÖBL Bd. 3, S. 326.
GdSG Bd. 4, S. 252.
AEIOU.
DBE.

 

Autorin des Artikels:

Birgit Scholz, Juni 2011

 
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